Kein guter Wechsel

■ Ein Prozeß gegen zwei polnische Brüder, die am Kartenautomaten auf dem Hauptbahnhof aus Zlotys D-Mark machen wollten Von Clemens Gerlach

Viel gesehen haben die beiden Angeklagten nicht, dabei sind sie schon seit über drei Monaten in Hamburg. Am 11. März 1996 waren Zbigniew und Krzystof S. hier angekommen, zwei Tage später fanden sich die beiden Polen im Untersuchungsgefängnis wieder. Gestern endete ihr Trip an die Elbe: Die Brüder wurden aus der U-Haft entlassen. Im Gepäck nehmen sie jeweils 18 Monate zur Bewährung mit auf die Rückreise nach Koszalin.

Von dort, in der Nähe von Stettin, waren die beiden in einem Reisebus losgefahren. Nur ein paar Tage wollten sie bleiben, übersetzt der Dolmetscher Zbigniews Worte: „Ich dachte, in Hamburg etwas Geld verdienen zu können.“ In Polen herrschten „schwere materielle Verhältnisse“. Er sei arbeitslos, erklärt der gelernte Hydrauliker, seine Ehefrau ebenfalls, und er habe eine dreijährige Tochter zu ernähren.

Zbigniew ist 28, breit und kräftig gebaut, der ältere und dominierende des ungleichen Paars. Krzystof, zwei Jahre jünger und 15 Zentimeter kleiner als sein großer Bruder, wirkt auf der Anklagebank neben ihm wie verloren. Der verhinderte Student („Ich muß meiner Mutter beim Gemüseverkauf helfen“) spricht so leise, daß er kaum zu verstehen ist. Auch ein jüngerer Dolmetscher ohne Hörgerät müßte sich arg mühen. „Nach dem Sinn der Reise habe ich nicht gefragt, mein Bruder wollte die Fahrt bezahlen.“ Nur wovon?

Deutsches Geld hatten sie nicht, dafür rund 700 20-Zloty-Münzen. Eine kiloschwere Last, aber ohne Gewicht, wenn es ans Bezahlen gegangen wäre. Umgetauscht hätte das bessere Altmetall nicht lange gereicht. Die Reise gen Westen wurde dennoch angetreten: Es waren auch keine gewöhnlichen Zloty-Taler, sondern zu Fünf-Mark-Stück-Imitaten umgearbeitete. „Die habe ich auf einem Markt in Polen erworben“, behauptet Zbigniew, der trotz Schnauzbart, Statur und Alter nicht zum kreativen Kopf des Duos taugen will.

Sonst hätten er und sein Bruder nicht ausgerechnet an den Fahrkartenschaltern des Haupbahnhofs ihr Glück versucht, ja herausgefordert. Beschattet von LKA und Bahnpolizei, per Videoanlage überwacht, machten sich die beiden ans Werk: Zweifuffzig-Kartentaste gedrückt, manipuliertes Zloty-Stück rein und zweifuffzig Wechselgeld kassiert. Kein einträgliches Geschäft – rund 1 800 Mark wären drin gewesen, wenn sie sämtliche Münzen im Schlitz versenkt hätten. Daß die Karte für den 1. Klasse-Zuschlag lukrativer gewesen wäre, war ihnen gar nicht aufgefallen.

Für eine Hotelübernachtung und etwas Essen hatte es am ersten Tag trotzdem gereicht, dann war Schluß. Mit „zum Platzen gefüllten Jackentaschen“, so der Polizeibeamte Andreas S., habe man die beiden festgenommen. Gestern waren die Taschen leer. Das ist so, wenn man aus dem Gefängnis kommt.

Dorthin zurück müssen sie nicht: Amtsrichterin Wichmann schloß sich dem Plädoyer der Anklage an und verurteilte die Brüder zu jeweils 18 Monaten auf Bewährung. Die verzichteten auf weitere Rechtsmittel. Bloß weg.