Spritzentausch: Benutzen verboten

■ Umstrittenes Pilotprojekt im offenen Vollzug läuft an / Einwegspritzen gibt's automatisch, Drogenbesitz bleibt illegal

Sechs Automaten zum Tausch von Einwegspritzen stehen drogenabhängigen Insassen der offenen Vollzugsanstalt Vierlande seit gestern zur Verfügung. Wer die Spritzen jedoch zur Injektion von Heroin nutzt und dabei erwischt wird, muß weiterhin mit Repressionen rechnen. Auch zukünftig sind die Vollzugsbeamten verpflichtet, die Verfügbarkeit von Drogen in der Anstalt grundsätzlich zu verhindern und Verstöße zu ermitteln und zu ahnden. „Die Bediensteten“, weiß auch Hamburgs Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem, „stecken in einem besonders schwierigen Rollenkonflikt.“

Dieser Konflikt hatte vor mehr als zwei Jahren dazu geführt, daß der damalige Justizsenator Klaus Hardraht entsprechende Pläne wieder zurückzog. Damals hatte die Gewerkschaft der Vollzugsbeamten mit Boykott gedroht. Auch wenn Hoffmann-Riem heute „eine breite politische Zustimmung“ zu dem Pilotprojekt erkennt, bleiben Anstaltsleitung und Beamte skeptisch. Kritisiert wurde aber vor allem die Entscheidung, das Projekt im offenen Strafvollzug durchzuführen. Dort sind sterile Spritzen vergleichsweise leicht zu haben.

Das Projekt wäre nach Auffassung des Justizsenators jedoch im geschlossen Vollzug nicht auf eine der drei Fuhlsbütteler Anstalten begrenzbar gewesen. Und als ein „Experiment“ solle es zuerst im kleineren Rahmen laufen. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet; untersucht werden soll, ob sich durch den Spritzentausch das Infektionsrisiko – vor allem bei Aids und schweren Hepatitisformen – unter den Häftlingen verringern läßt, ob das Drogenkonsumverhalten beeinflußt wird und in welcher Weise sich das Verhalten der Aufsichtsbeamten verändert, zum Beispiel bei Kontrollen.

Die Anstaltsleitung hat bereits angekündigt, die Außenkontrollen während des Projektverlaufs zu verstärken. Der Besitz und der Handel mit Drogen bleiben weiterhin verboten, das „Sanktionsprogramm“ bleibt unverändert: Jeder Drogenfund wird der Staatsanwaltschaft gemeldet, der Betroffene erhält einen Verweis, Dealern droht Arrest. Von außerhalb dürfen auch zukünftig keine Spritzen in die Anstalt gebracht werden. Die Automatenware muß in einem eigens dafür ausgeteilten Behälter aufbewahrt werden, andernfalls wird auch diese eingezogen.

Das Projekt ist bis Ende kommenden Jahres befristet; zeitgleich laufen ähnliche Versuche in Niedersachsen und Berlin – beide im geschlossenen Vollzug.

Stefanie Winter