■ Aus der wunderbaren Welt der Nachrichtenübermittlung
: Gemeldete Meldung zurückgemeldet

Köln (taz) – Meine Mutter rief mich an: „Weißt du, was wir heute morgen in der Zeitung entdeckt haben?“ Ich wußte es nicht. „Eine kurze Meldung aus der Rubrik Vermischtes: ,Karnevalskind findet seinen Vater im Libanon.‘“ Ein Kölner habe 37 Jahre nach seiner Zeugung mit Hilfe des Goethe Instituts in Beirut im libanesischen Tyros seinen leiblichen Vater gefunden. Er sei das Ergebnis eines Abenteuers in der Karnevalsaison 1959 zwischen seiner Mutter und einem Libanesen, der damals die Narrenhochburg als Tourist besucht habe.

Meine Mutter kannte die Geschichte schon lange, weil ich den 37jährigen Kölner in den Libanon begleitet hatte, um für Radio 5, das fünfte Hörfunkprogramm des WDR, eine Reportage über die Suche nach dem Vater zu machen. Ein halbes Jahr danach, am 4. Juni 1996, veröffentlichte die taz diesen Text. Die heutige Meldung mußte die Zeitung also der taz entnommen haben, glaubte ich. Aber weit gefehlt!

Zwei Tage später wurde ich erneut morgens aus dem Schlaf gerissen. Der Leiter des Goethe Instituts in Beirut war am Apparat. Ob ich mich noch an die Geschichte mit dem Kölner erinnern könne, der damals seinen Vater im Libanon gesucht hatte? „Mir rennen die verschiedensten Pressevertreter die Türen ein“, stöhnte er, „die Deutsche Presse Agentur, dpa, verbreitet nämlich die Geschichte über den Ticker.“

Da ich mit der Hauptfigur meiner Reportage seinerzeit vereinbart hatte, daß nur der WDR und anschließend die taz seine Geschichte veröffentlichen dürften, bat ich den Institutsleiter, weitere Anfragen an mich umzuleiten. Wie dpa an die Meldung gekommen war, klärte ich durch einen Anruf. Der zuständige Redakteur vom Dienst konnte sich genau erinnern: Ihr Libanonkorrespondent habe die Geschichte in der saudi-arabischen Zeitung as-sharq al-awsat entdeckt.

Ich dankte, legte auf und zählte eins und eins zusammen: Ein in Deutschland ansässiger Korrespondent mußte nach der Lektüre meiner Reportage in der taz selbige als Meldung weitergeleitet haben, und zwar nach London, wo nämlich die saudische Tageszeitung erscheint. Von London aus war sie dann in den Nahen Osten gelangt, und im Libanon hatte der dpa-Korrespondent die Geschichte in der Zeitung entdeckt und sie nach Deutschland zurückgeschickt. Kaum war ich am Ende meiner Überlegungen, da klingelte auch schon wieder das Telefon: Eine Redakteurin von „Stern-TV“ war in der Leitung. Sie habe gehört, daß ich den Mann kenne, der seinen Vater... In den folgenden Stunden kam ich kaum noch zur Ruhe: zwei RTL-Redaktionen, Sat.1, VOX, der Kölner Stadtanzeiger und zuletzt die Bild-Zeitung („Honorare sind kein Problem“) wollten einen Kontakt mit dem Mann, der im Libanon... und so weiter und so fort.

Mittags floh ich vor dem Telefon in mein Stammcafé. Dort traf ich einen Freund, der mir brühwarm erzählte, er habe kürzlich eine Geschichte gehört, die er von mir kannte. „Du weißt schon, der Typ, mit dem du im Libanon seinen Vater gesucht hast.“ – „Hast du das aus der Zeitung?“ fragte ich. Er dachte kurz nach. „Nö. Das kam in den Regionalnachrichten auf WDR 2.“ Björn Blaschke