: "Wir müssen dieses Fleisch kaufen"
■ Im Interview ein deutscher Wildhändler zu illegalen Importen aus Osteuropa und der Marktmacht der polnischen Lieferanten
Wie die taz aufdeckte, ermitteln Zoll und Staatsanwaltschaft gegen eine Reihe von deutschen Wildhändlern. Nach Eingang einer anonymen Anzeige wurden Verfahren eingeleitet. Der Vorwurf: Obwohl seit 1992 die Einfuhr von Wildschweinfleisch aus den meisten osteuropäischen Ländern (außer Ungarn) wegen der dort grassierenden Schweinepest verboten ist, wird genau solches Fleisch als Hirschfleisch deklariert illegal eingeführt. Hier wird es dann als westeuropäisches Wildschweinfleisch vermarktet. Der Name des Händlers wurde auf seinen Wunsch geändert.
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taz: Herr Zeh, waren Sie denn seit dem Einfuhrverbot mit osteuropäischem, beispielsweise polnischem Wildschweinfleisch konfrontiert?
Zeh: Ja, vor einiger Zeit habe ich eine Partie deutsches Wildschweinfleisch bestellt. Bei der Qualitätskontrolle in unserem Betrieb haben wir dann festgestellt, daß es sich nicht um deutsches, sondern um polnisches Wildschwein handelt. Daraufhin haben wir die Ware zurückgegeben an den Lieferanten.
Wie haben Sie denn gemerkt, daß Sie getäuscht wurden?
Da war außen auf den Kartons ein deutsches Etikett drauf und innen Reste polnischer Etiketten, die abgerissen waren, auch noch ganze polnische Etiketten.
Und wie hat der Lieferant reagiert, als Sie die Ware zurückgegeben haben?
Der hat uns noch mindestens ein-, zweimal polnisches Wildschwein geliefert, obwohl wir ihm mitgeteilt hatten, daß wir nur deutsches möchten. Als das nichts brachte, haben wir uns entschlossen, die Zollfahndung zu informieren. Die sind dann daraufhin zu uns in den Betrieb gekommen und haben die polnische Ware beschlagnahmt, bei der ja der Verdacht bestand, daß es sich um von der Schweinepest befallenes Wildschweinfleisch handeln könnte. Nach etwas mehr als einem Jahr haben wir dann die Nachricht bekommen, daß die Ware wieder freigegeben worden ist.
Zuvor erfolgte doch wohl eine genaue Qualitätsprüfung durch den Zoll, und dabei wird man ja festgestellt haben, daß es sich um einwandfreie Ware handelt?
Von wegen. Eine Qualitätsprüfung hat nicht stattgefunden. Dieses polnische Wildschweinfleisch lagerte 14 oder 15 Monate bei uns im Kühlhaus. Da ist nie jemand gekommen und hat eine Probe genommen. Dieses Fleisch ist freigegeben worden ohne Kontrolle!
Und wohin ist dieses Fleisch gekommen?
Wir hätten dieses Fleisch vermarkten können, haben das aber nicht getan, sondern wir haben es dem Lieferanten zurückgegeben. (Anm. D. Red.: stornierte Rechnung und Lieferschein liegen der taz vor)
Ist Ihnen bekannt, ob der Lieferant das Fleisch wieder in den Handel gebracht hat?
Nach meinen Informationen ist dieses Fleisch für den menschlichen Verzehr wieder freigegeben worden, das heißt, er kann oder konnte das problemlos wieder in den Handel bringen. Ob das geschehen ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Was ich Ihnen aber mit Bestimmtheit sagen kann, ist, daß unsere gesamte Branche darunter jetzt erheblich zu leiden hat. Diejenigen, die das einführen, haben natürlich einen erheblichen finanziellen Vorteil.
In Ihrer Branche wird gemunkelt, man müsse quasi polnisches Wildschweinfleisch kaufen, wenn man Reh und Hirsch kaufen möchte. Ist das richtig? Gibt es so eine Marktmacht bei den polnischen Lieferanten?
Wir haben schon gewisse Zwänge, ja. Da heißt es schon, entweder du kaufst Hirsch, Reh und Wildschwein, oder wir können dir Hirsch und Reh auch nicht liefern.
Was tut man dann in einer solchen Situation?
Also wir haben dann eben Wildschwein ebenfalls gekauft, haben aber dieses Wildschwein nicht nach Deutschland eingeführt, sondern in Polen eingelagert (Anm. D. Red.: Beleg liegt vor). Aber kaufen mußten wir es, sonst hätten wir keinen Hirsch und kein Reh bekommen. Die polnischen Lieferanten haben da schon eine gewisse Marktmacht.
Unseren Informationen zufolge ist in genau dieser Sache schon ein Verfahren gegen einen Ihrer Mitbewerber gelaufen. Doch obwohl ein entsprechender Handel von der Zollfahndung – es soll im Norden der Republik gewesen sein – aufgedeckt wurde, kam Ihr Konkurrent angeblich mit einem hellblauen Auge davon.
Das ist in der Branche bekannt, ja. Soviel ich weiß, wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 10.000 Mark.
Aber das ist doch angesichts der enormen Gewinnspannen ein Witz. Einer Ihrer Kollegen sagte uns, dieser Händler habe immerhin drei Millionen Mark daran verdient, abzüglich einer halben Million für überhöhten Hirschfleischpreis, sprich also immerhin 2,5 Millionen Gewinn.
Das ist schon möglich.
Interview: Klaus Wittmann
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