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Herbert Wehner und sein treuer Knecht

■ Karl Wienand ist nie aus dem Schatten des SPD-Zuchtmeisters herausgetreten

Berlin (taz) – Die Szene ist einem Millionenpublikum aus Heinrich Breloers Fernsehspiel in Erinnerung geblieben: Wehner und Wienand sitzen sich im Bonner Büro des gefürchteten „Onkel Herbert“ gegenüber. Sie schweigen. Fast drei Stunden fällt kaum ein Wort. Das ist der Härtetest, dem Karl Wienand unterworfen wird. Er besteht ihn. Emotional und gedanklich bleibt er seitdem an den großen alten Zuchtmeister der Partei gekettet. Verschwiegenheit, Selbstdisziplin, Härte gegen andere und sich selbst – das Ethos, das Wienand auferlegt wird und dem er sich willig unterwirft.

Wehner sieht in seinem Mann für alle Fälle einen Seelenverwandten. Er bringt ihm bei, wie man mit den eigenen Genossen umzuspringen und daß man von der Partei keinesfalls Dank für Aufopferung zu erwarten hat. Wehner hat nie aufgehört, sich als Paria der Partei zu sehen, als jemand, „dem man die Haut bei lebendigem Leibe abziehen wird“. Er, der Klassenkampfparolen aus seinem Vokabular gestrichen und das Godesberger Programm gegen so viele traditionsbewußte Funktionäre durchgepeitscht hat, ist seinem Selbstverständnis nach Underdog geblieben.

Karl Wienand, dem Sohn eines antifaschistischen Bauarbeiters, schärft er ein: „Wir werden die Proletarier in dieser Partei bleiben.“ Wehner, selbst ein glänzender Rhetoriker, liebte die großen Auftritte und inspirierten Reden seines Vorsitzenden Brandt überhaupt nicht. Noch mehr verachtete er Sensibilität, Dünnhäutigkeit und vor allem das naive Zutrauen Brandts zu den führenden Mitstreitern. Wenig spricht dafür, daß er nicht frühzeitig erkannte, wie sein Adlatus Wienand seine Arbeit als Geschäftsführer mit allerlei gewinnbringenden Nebentätigkeiten verband. Er verteidigte Wienand und dessen Job als Geschäftsführer solange es ging, zog ihn auch dann noch ins Vertrauen, als sich der so vielfältig Brauchbare unter dem Druck diverser Affären und unter der Last der Beschuldigung, den CDU-Abgeordneten Steiner anläßlich des konstruktiven Mißtrauensvotums gegen Brandt bestochen zu haben, Mitte der 70er Jahre aus der Bundespolitik zurückzog.

Wehner selbst hatte durch dunkle Andeutungen dem Verdacht Nahrung gegeben, Wienand habe mit seiner, Wehners, Billigung, den Abgeordnetenkauf ins Werk gesetzt. Später, nach 1989 hat Markus Wolf dieses Billiggeschäft für seine Firma reklamiert. Wienand hat nach dem Tod des Meisters einen Satz von Wehner für sich in Anspruch genommen, den dieser auf sich selbst gemünzt hatte: „Selbst der Sauberste stinkt, wenn er in einen Eimer Scheiße steigt.“

Wehner war und blieb zwar „strukturell“ ein bolschewistischer Charakter. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich seit den 60er Jahren bis in die kleinsten Details hinein um „humanitäre“ Belange im Verhältnis der beiden deutschen Staaten zu kümmern. Sprich: Häftlingsfreikauf, Familienzusammenführungen, menschliche Erleichterungen für die „Brüder und Schwestern“. Bei diesen Geschäften „DM gegen Menschlichkeit“ spielten sich Verhandlungen und Geldtransfer in einer Grauzone ab.

Wienand bewegte sich in dieser Zone wie ein Fisch im Wasser. Auch nach der Niederlegung seiner Ämter war er, im Auftrag Schmidts und Wehners, bei der Einfädelung des Milliardenkredits für die DDR dabei, den Strauß dann schließich einfädelte.

Die Sorge um die Humanität bezog auch bei ihm die eigene Person ein, wie die – umstrittigen – Aussagen des Stasi-Emissärs Völkel im Wienand-Prozeß bezeugen.

Wehners Einfluß auf die „gesamtdeutschen“ Beziehungen schwand zu Beginn der 70er Jahre, als Bahr zum Metternich der deutschen Ostpolitik aufstieg. Es fällt schwer, die Konzeptionsunterschiede genau zu benennen, die zwischen der „Bahr-Linie“ und der „Wehner-Linie“ in der Deutschlandpolitik bestanden haben. Fest steht, daß Wehner in viel stärkerem Umfang als Bahr die verläßliche Zusammenarbeit zwischen der von den Sozialdemokraten geführten Regierung und den SED- Machthabern befürwortete. Dies mit dem Ziel, die Einheitssozialisten auf sozialdemokratischen Kurs zu bringen und so für die Einheit der deutschen Arbeiterbewegung, mithin auch für die deutsche Einheit, zu arbeiten.

Noch 1992 bestätigte ihm Honecker, (auch er war ein Wehner-Verfallener), „sein Ziel war die Einheit und der Aufbau einer sozialistischen deutschen Republik“. Wie deutlich eine solche Zielsetzung auch formuliert gewesen sein mag, sie erklärt auf alle Fälle manches an der Offenheit mit der der Meisterschüler Wienand seinen Gesprächspartnern aus der DDR Interna aus dem Vereinsleben der SPD zum besten gab. Ihnen gegenüber war er eben doch nicht der „harte Hund“. Chriatian Semler

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