Ohne Shakespeare geht es auch

■ ... was ihr wollt! - ein Theaterprojekt des Thalia Treffpunktes

Das Klingeln ruft die Wachsamkeit des Zuschauers auf die schwarze, leere Bühne. Dort stehen oder sitzen 19 Menschen wartend, das zu lesen und zu spielen oder deklamieren, was ihnen als momentane Lieblingslektüre spruchreif erscheint.

...was ihr wollt! ist nicht Shakespeare. Dieser Titel hat auch gar nichts mit jenem Engländer zu tun. ...was ihr wollt! ist eher programmatisch als die Aufforderung des Projektleiters Herbert Enge an seine Laienmimen zu verstehen. Als Theater der Erfahrung stellt dieses integrative Treffpunkt-Projekt nicht die Aufführung, sondern den Prozeß der Theaterarbeit in den Mittelpunkt. „Einander zu begegnen“, sagt Enge, war das wichtigste dabei“.

Zusehen war am Mittwoch teilweise eine regelrechte Entfesselung von Gefühlen und Gedanken aus dem Korsett des Alltags oder des eigenen Körpers. Wenn Janet Meier etwa aus ihrem E-Rolli heraus über ihre Kopfarbeit spricht, so merkt man ihr die Anstrengung an, mit der sie würdevoll, ihre spastische Behinderung in Text und Rampenlicht zu überwinden sucht. Die Bühne wurde ihr, aber auch allen anderen zum Sprachrohr. Genau das machte die Faszination des Abends aus. Jeder Schauspieler zeigte sich lebendig, nicht als reine Figur. So wurde fast eine kleine Seelenschau daraus, die einen Einblick in die schmerzhafte Erfahrung von Identität oder die Suche nach ihr gestattete. Hier wurde sie als ein wildes Potpourri inszeniert, das nicht nur Behinderte und Nichtbehinderte, sondern auch jung und alt gemeinsam auf die Suche schickte.

Seit November letzten Jahres arbeitete die Gruppe, die zusammengenommen 581 Jahre alt ist, immer wieder an den eigenen und literarischen Texten. Neben Kafkas Bericht an eine Akademie hörte man Brechts Brot und Bellis Niemand sucht aus.. oder Exupérys Kleinen Prinzen. Aber eben auch Selbstgeschriebenes, wie das von Janet Meier.

Wenn auch manchmal etwas zu sehr durch die Zeilen gesprungen und zu leise gelesen wurde und einige schauspielerisch überfordert waren, war ...was ihr wollt! eine anrührende, interessante Montage textueller Vielfalt.

Britt-Kristin Feldmann