Neonazi-Überfall in der Nordheide

■ Jugendlicher bei Randale in Tostedt verletzt / Polizei und Streetworker machtlos gegen neofaschistischen Terror

Die ultrarechte Jugendszene in Tostedt (Nordheide) hat mal wieder zugeschlagen: Nach dem EM-Fußballspiel zwischen Deutschland und England griffen am Mittwoch abend knapp 20 alkoholisierte Rechtsradikale das Tostedter Jugendzentrum (JUZ) an. Nach Augenzeugenberichten verschafften sich einige der „Sieg Heil“ grölenden, mit Knüppeln und Schreckschußpistolen bewaffneten Jugendlichen kurz nach 23 Uhr gewaltsam Eintritt in den eilig verbarrikadierten Freizeit-Treff.

Ein siebzehnjähriger Pole, der sich im Rahmen eines Jugendaustausches in der Heide-Gemeinde aufhält, wurde durch eine auf ihn geschleuderte Bierflasche verletzt. Der junge Mann mußte mit einer klaffenden Schnittwunde und einem Kiefernbruch ins Krankenhaus Buchholz eingeliefert werden.

Obwohl mehrere Augenzeugen den Täter namentlich identifizieren können, kam es in der Nacht zu keinen Verhaftungen. Die nach Ende der Auseinandersetzungen eintreffende Polizei nahm lediglich die Personalien einiger Jugendlicher aus der rechten Szene auf, die sich nach dem Überfall in ihrer Stammkneipe versammelt hatten. Polizeihauptmeister Jochen Burmester glaubt, den Täter bislang allenfalls „recht genau eingrenzen“ zu können.

Es ist nicht der erste rechte Gewaltübergriff in der Nordheide-Kleinstadt: Bereits in der Nacht zum 20. April – dem „Geburtstag des Führers“ – hatten rund 40 rechtsradikale Jugendliche das JUZ angegriffen und Flaschen und Steine auf die BesucherInnen eines dort stattfindenden Konzertes geworfen. Zehn Tage später attackierten etwa 20 jugendliche Neonazis aus der Umgebung St. Pauli-Fans, die zu einem Freundschaftsspiel zwischen dem Buchholzer Fußballverein und den Kickern vom Millerntor angereist waren.

Durch die neuerliche Gewaltaktion gerät auch die Arbeit der von zwei StreetworkerInnen betreuten „Reso-Fabrik“, dem Haupt-Treffpunkt der jugendlichen Skinhead-Szene im 15 Kilometer entfernten Handeloh, erneut in den Blickpunkt. Der JUZ-Jugendrat hält das Projekt für „gescheitert“, da dort „bekannte Neonazis ungestört Jugendliche rekrutieren“ könnten.

Polizeihauptmeister Burmester, der die offensichtliche Tatenlosigkeit der „Ordnungshüter“ damit erklärt, daß die Polizei „keine Dauerpräsenz“ gewährleisten könne, steht der Arbeit der StreetworkerInnen hingegen „positiv gegenüber“. Die PädagogInnen hätten gewährleistet, „daß es so lange ruhig“ geblieben wäre.

Dem verletzten Polen allerdings helfen solche „Erfolgsmeldungen“ wohl kaum. Marco Carini