Die große Euphorie ist verflogen

■ Ausländische Investoren in Vietnam sind enttäuscht. Korruption und Behördenwillkür gefährden den Aufschwung

Hanoi (taz) – Wohlgelaunt bestellt der deutsche Geschäftsmann an der Bar des feinen Sofitel-Hotels in Hanoi einen weiteren Wodka. Gerade hat Friedrich W.Kreutzberg für seine Montage- firma, eine in Malaysia ansässige Mannesmann-Tochter, einen lukrativen Auftrag unter Dach und Fach gebracht. In der Nähe der südvietnamesischen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt baut er mit an einer Klinkerfabrik. Jetzt kann es nur noch wenige Tage dauern, bis er die Lizenz in der Tasche hat, meint er. Dann gehe alles ruckzuck: „Ab Juli wird gearbeitet, Ende des Jahres ist das Vorhaben abgeschlossen.“

Soviel Zuversicht ist selten in diesen Tagen in Vietnam. Unter den meisten ausländischen Geschäftsleuten und Investoren herrscht Frust. Endlos sind die Geschichten über geplatzte Verträge, Korruption und Streit mit Partnern. Erstmals seit der Öffnung für ausländische Direktinvestitionen 1988 erwarten Vietnams Ökonomen in diesem Jahr einen Rückgang der Investitionsvorhaben auf sechs Milliarden US-Dollar. 1995 waren die angekündigten Investitionen noch um 80 Prozent auf 7,2 Milliarden Dollar gestiegen.

Insgesamt haben ausländische Unternehmen seit 1988 19,6 Milliarden Dollar für 1.300 Projekte in Vietnam vorgesehen, vorwiegend im Hotelbau und Tourismus, bei der Erdöl- und Erdgasförderung und in der Bauindustrie. Nach Angaben ausländischer Wirtschaftsinstitute ist aber davon nur ein Viertel tatsächlich ins Land geflossen. „Das Land ist doch gar nicht in der Lage, das alles zu verdauen“, sagt ein ausländischer Experte in Hanoi. Zwar ist das Telefonnetz bereits renoviert, aber die Stromversorgung bricht regelmäßig zusammen, Straßen- und Schienennetz sind marode und die Häfen verstopft, kurz – die Infrastruktur des Landes ist völlig überfordert.

Wegen endloser Streitereien mit den Behörden gab zum Beispiel die australische Firma „P&O Australia“ vergangenes Jahr ihr 19-Millionen-Dollar-Projekt zum Bau eines Containerhafens acht Monate nach Vertragsabschluß auf. Die meisten Investoren kommen aus der Region: Taiwan, Japan, Hongkong und Singapur liegen an der Spitze, die USA folgen nach Südkorea an sechster Stelle; Deutschland liegt mit 118 Millionen Dollar abgeschlagen auf Rang zwanzig, noch hinter Rußland. Aber selbst asiatische Firmenchefs, die sich ihrer guten Kenntnis der regionalen Geschäftsgepflogenheiten rühmen, klagen laut. „Nur kein Joint-venture in Vietnam“, ruft der thailändische Großunternehmer Vikrom Kromdit, als er von seinen Erfahrungen beim Bau eines Industrieparks berichtet: Trotz gegenteiliger Zusagen der Behörden mußte er nach Vertragsabschluß zwei Jahre lang auf seine Lizenz warten. In der Zwischenzeit wuchs auf dem für das Projekt vorgesehenen Land die Zahl der Bewohner auf wundersame Weise so lange an, bis Vikrom den Behörden für die Umsiedlung zehn Millionen US-Dolldar statt, wie ursprünglich vorgesehen, vier Millionen zahlen sollte.

Daß sich die ausländischen Geschäftsleute in diesen Tagen rar machen, hängt aber auch mit dem bevorstehenden Parteitag der vietnamesischen Kommunisten zusammen. „Niemand hat sich in den letzten Monaten noch getraut, wichtige Entscheidungen zu treffen“, sagt ein vietnamesischer Beobachter in Hanoi. Viele Experten befürchten seiner Meinung nach, daß auf dem Kongreß Leute die Oberhand bekommen, „die finden, daß die Investitionen vor allem Probleme bringen“. Sie glauben, ausländisches Kapital werde sie vom Ausland abhängig machen und die einheimische Wirtschaft vom Markt drängen. Solche Sorge um die „Souveränität“ hatte die Regierung im Frühjahr dazu verleitet, ausländische Firmenschilder und Werbung übermalen zu lassen – wenn sie nicht vietnamesisch umschrieben werden können.

Diese Tendenz spiegelt sich auch im Parteitagsprogamm wieder, das jetzt abgesegnet werden soll. Dort ist unter anderem von der Stärkung der Staatsbetriebe in Vietnam die Rede, was ausländische Beobachter als Schlag gegen die Öffnungspolitik werteten. Dem widerspricht der Wirtschaftsberater der Partei, Nguyen Xuan Oanh, vehement: „Die Staatsbetriebe werden nicht auf Kosten des privaten Sektors gefördert, nur ihr Management soll gestärkt werden.“ Für ihn gibt es keinen Zweifel: „Die Reformen gehen weiter.“ Jutta Lietsch