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Ein König für die Hutu-Tutsi-Versöhnung in Ruanda

■ Anhänger der früheren Tutsi-Monarchie gehen auf Distanz zur regierenden RPF

Brüssel (taz) – Immer neue Differenzen plagen die Staatsführung von Ruanda, die von der einstigen Tutsi-Guerilla RPF dominiert wird. Nachdem bereits die prominenten Hutu-Politiker Faustin Twagiramungu und Seth Sendashonga in die Opposition gegangen sind, distanzieren sich jetzt auch die Monarchisten, die eine Restauration des früheren Tutsi-Königtums wünschen.

Bis 1959 herrschte in Ruanda eine Monarchie. Der Weisenclan der Biru bestimmte den Tutsi-König aufgrund jahrhundertealter esoterischer Geheimregeln. Die Hutu-Mehrheit stand zur Tutsi- Elite in verschiedenen Klientelverhältnisssen; eine Sonderrolle hatten ferner die Twa-Pygmäen inne. 1959, in den letzten Jahren der belgischen Kolonialherrschaft, stürzte eine Hutu-Revolte die Monarchie; kurz darauf wurde Ruanda unter Hutu-Herrschaft unabhängig, und viele Tutsi flohen ins Ausland, darunter auch der letzte König KigeriV. Die 1959 gegründete „Nationale Ruandische Union“ (UNAR) wurde zur Vertretung der Exiltutsi; aus ihren Reihen rekrutierten sich später auch Kämpfer der RPF, die ihr Dasein als Gruppe radikaler Tutsi-Exilanten in Uganda begann. Die RPF eroberte Ruanda im Sommer 1994 nach dem von radikalen Hutu verübten Völkermord an der Tutsi-Minderheit.

Exilkönig Kigeri V., der in Arlington im US-Bundesstaat Virginia im Exil lebt, hatte die RPF- Machtergreifung freudig begrüßt. Nun hat aber Jean-Claude Rukeba, Sohn des UNAR-Parteigründers, seine Anhänger aufgefordert, sich von der RPF zu „entsolidarisieren“. Nach Rukeba, der selber Hutu ist, hat die RPF ihre Gründungsideale verraten. Sie gründe „ihre Macht auf ethnischer Diskriminierung“, habe „die Staatskassen geleert“ und „Reichtümer angehäuft wie Banditen“. So habe RPF-Führer Paul Kagame, zugleich Vizepräsident und Verteidigungsminister von Ruanda, der Staatskasse ohne Begründung Geld entnommen.

Mit dieser Kritik reißt die UNAR alte Wunden auf. Schon früher haben Ruandas Monarchisten der RPF vorgehalten, 1994 mit ihrer Guerillaarmee nicht in der Lage gewesen zu sein, die Tutsi vor dem Völkermord zu schützen. Aber nun gibt es Streit nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die Zukunft. RPF-Chef Kagame, der selbst dem Königsclan der Abega entstammt, bezeichnet sich als „Republikaner“ und schließt jede Rückkehr zur Monarchie in Ruanda aus. Dies läuft darauf hinaus, dem exilierten König Kigeri V. – der sein Land nicht wiedergesehen hat, seit ihn die belgische Kolonialmacht 1961 ins Exil schickte – eine Rückkehr nach Ruanda zu verbieten. Denn der Tradition zufolge darf der Monarch sein Land nur als Herrscher betreten. Er verkörpert auch die Einheit des gesamten ruandischen Volkes, das eben aus Tutsi und Hutu sowie den Twa besteht. Kigeri V. will daher nur nach Ruanda zurückkehren, wenn dies im Land auf allgemeine Zustimmung stößt, und er will nicht ein Volk regieren, von dem ein großer Teil – die zwei Millionen Hutu-Flüchtlinge in Zaire, Tansania und Burundi – im Exil lebt.

Es wird für die RPF schwierig sein, der Kritik der Monarchisten zu begegnen. Sie kann ihnen ja schwer vorwerfen, am Völkermord beteiligt gewesen zu sein. Außerdem bleibt unklar, wie populär der König heute in Ruanda ist. Der Todestag des Königs Mutara III., Vorgänger von Kigeri V., wird jedes Jahr von Tutsi in aller Welt mit großen Zeremonien begangen. Seine Witwe Rosalie Gishanda – zugleich eine Tante von Paul Kagame – war in Ruanda sehr beliebt, bis sie 1994 beim Völkermord umgebracht wurde. Und für traditionsbewußte Tutsi ist der Exilkönig eine Art göttliches Emblem, ähnlich wie für Tibeter der Dalai Lama. Kigeris Weigerung, nach Ruanda zurückzukehren, stellt für sie eine Verurteilung des RPF-Regimes dar. Dieses sieht seine politische Basis schrumpfen, während die Ränge seiner Gegner längst aus mehr bestehen als vorbelasteten Hutu-Flüchtlingen. François Misser

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