: Studenten weiter zahlungsunwillig
■ Jochen Geppert vom Kuratorium der Freien Universität Berlin ist gegen Studiengebühren: „Boykott hat gute Chancen“
taz: Die Studentenvertretungen der Berliner Universitäten haben dazu aufgerufen, die vom Senat beschlossene Immatrikulationsgebühr von 100 Mark gar nicht oder nur teilweise zu bezahlen, weil das ein Einstieg in die Studiengebühren sei. Ein erfolgreicher Boykott?
Geppert: Ja. Nach den bisherigen Zahlen beteiligen sich über ein Drittel der Studierenden daran. In der nächsten Woche werden die ersten Musterklagen gegen die Gebühr herausgehen. Zehntausende von Studierenden wollen dagegen Klage einreichen und werden sie wohl auch gewinnen. Laut Rechtsgutachten der GEW entsprechen diese 100 Mark nämlich nicht real entstandenen Verwaltungskosten, sondern sollen das Haushaltsloch stopfen, und das ist rechtswidrig.
Laut taz von vorgestern haben Sie als erster linksalternativer Studentenvertreter signalisiert, Sie könnten Studiengebühren akzeptieren.
Da sind Äußerungen von mir aus dem Kontext gerissen worden. Ich bin grundsätzlich gegen Studiengebühren, weil diese von der staatlichen Verantwortung für das Bildungssystem ablenken und die Studierenden zum Schnellstudium pressen. Bei einer Podiumsdiskussion habe ich, im Publikum sitzend, gesagt: Wenn es eine ausreichende, elternunabhängige Studienförderung für alle geben sollte, dann ist das Argument, Studiengebühren fördern die soziale Selektion, nicht mehr so überzeugend.
Die Schlußfolgerung, Sie seien für Studiengebühren, wenn es eine elternunabhängige Studienförderung und eine „reale Einflußnahme“ von Studierenden auf Art und Qualität des Lehrangebots gäbe, ist falsch?
Ja. Michael Daxner, Präsident der Universität Oldenburg, hat auf dem Podium vertreten, daß sich Studierende über das Zahlen von Studiengebühren einen Einfluß auf die Lehre sichern könnten. In dem Zusammenhang habe ich das alte studentische Argument wiederholt, daß das Geld, was die Hochschulen aus Sonderprogrammen und auch aus Studiengebühren einnehmen würden, wegen der undemokratischen Entscheidungsstrukturen nicht den Zwecken der Lehre zugute kommt, sondern nach professoralem Gusto verteilt wird. Interview: usche
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen