Der Versuch der Kriminalisierung geht weiter

■ Ralf Milbrandt über die Aufhebung von Haftbefehlen im „radikal“-Verfahren

Die Haftbefehle gegen vier Verdächtige im „radikal“-Verfahren wurden aufgehoben (siehe Bericht Seite 5). Die taz sprach mit einem von ihnen, dem Rendsburger Ralf Milbrandt.

taz: Hat Dich die Aufhebung der Haftbefehle überrascht?

Ralf Milbrandt: Nein. Es ist eine übliche Praxis, daß Verfahren, bei denen es um den Vorwurf der Bildung einer kriminellen und die Unterstützung terroristischer Vereinigungen geht, am Anfang groß aufgeblasen, später dann tiefer gehängt und teilweise klammheimlich eingestellt werden. Außerdem existieren die Haftbefehle in den bei der Karlsruher Bundesanwaltschaft angesiedelten Verfahren gegen vier andere angebliche „radikal“-MacherInnen weiterhin. Ein Beschuldigter sitzt noch in Untersuchungshaft, ein anderer sieht sich weiterhin gezwungen abzutauchen.

Wird die Aufhebung Eurer Haftbefehle Auswirkungen auf die Karlsruher Verfahren haben?

Zentral ist jetzt die Frage, ob es der Staatsanwaltschaft vor Gericht gelingt, die „radikal“-Redaktion zur kriminellen Vereinigung zu stempeln. Dieser Vorwurf ist noch nicht vom Tisch, da die Verfahren ja nicht eingestellt worden sind.

Wie geht es weiter?

Es wird eine Anklage und einen aufwendigen Prozeß geben, in dem es darum geht, eine Zeitung, die sich mit militantem linken Widerstand auseinandersetzt, zu kriminalisieren. Das ist das erklärte Ziel der Bundesanwaltschaft, und genau das müssen wir kippen. Denn unabhängig von der Aufhebung der Haftbefehle werden die „radikal“ und die Leute, die sie machen, ja von den Ermittlungsbehörden weiter verfolgt.

Zudem werden wir im Prozeß die Ausforschungsmethoden der Ermittlungsbehörden gegenüber linken Gruppen thematisieren, wie sie sich exemplarisch in diesem Verfahren gezeigt haben. Ich meine damit die Abhörmaßnahmen, eine geheimdienstliche Rundum-Überwachung der Verdächtigten, die Ausschnüffelung durch die Großrazzia im vergangenen Jahr und nicht zuletzt die jetzt abgesegnete Praxis des großen Lauschangriffes.

Was bedeutet der bevorstehende Prozeß für Dich persönlich?

Ich gehe davon aus, daß das Gerichtsverfahren auf mehrere Monate und mehrere Termine pro Woche angesetzt wird. Für mich wird das bedeuten, da der Prozeß wohl in Koblenz stattfindet, neben der finanziellen Belastung, daß ich nach der fast halbjährigen Untersuchungshaft ein zweites Mal für lange Zeit aus meinem privaten und politischen Lebensumfeld und meinem Studium herausgerissen werde.

Fragen: Marco Carini