Mehr Demokratie -betr.: "Senator soll entscheiden", taz vom 26.6.1996

Betr.: „Senator soll entscheiden“, taz vom 26.6.

Es ist auf den ersten Blick verständlich, daß sich Gewerkschaften und Personalräte gegen eine Änderung des Personalvertretungsgesetzes sträuben. Aber vernünftig und im wohlverstandenen Eigeninteresse ist dieser Widerstand nicht. Denn es handelt sich um Befugnisse, die zwar noch im Gesetz stehen, aber im Härtefall doch nicht mehr durchsetzbar sind, weil dies, wie in Schleswig-Holstein geschehen, schnell zu einer Verfassungsklage führen kann, deren Ergebnis absehbar ist. Eben deshalb läßt es zur Zeit auch niemand darauf ankommen. Verteidigung unhaltbarer Positionen stärkt aber die Personalvertretung nicht, sondern schwächt sie.

Zweifelsohne war das Bremer PVG gedacht als ein „mehr Demokratie wagen“, nämlich als Anwendung der „paritätischen Mitbestimmung“ auf den Öffentlichen Dienst. Heute zeigt sich, daß darin ein fundamentaler Denkfehler steckt. Paritätische Mitbestimmung ist dort sinnvoll, wo Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sich gemeinsam gegenüber ihrem noch mächtigeren „Partner“, nämlich dem Markt behaupten müssen. Überträgt man das Modell auf den Öffentlichen Dienst, so entsteht daraus automatisch eine Perversion. Denn der Außenfaktor für die Partnerschaft im Öffentlichen Dienst ist nicht der Markt, sondern sind die Bürger. Die sind aber keineswegs mächtig wie der Markt, sondern einem schlechten Zusammenspiel beider Seiten hilflos ausgeliefert. Sie können zwar bei der nächsten Wahl ihre Stimme verweigern, aber doch nur den Chefs der „Arbeitgeberseite“, während die „Arbeitnehmer“-VertreterInnen ja nur von den Angehörigen des Öffentlichen Dienstes gewählt werden. B. Müller