Gardinenlos hinter schwedischen Gardinen

■ JVA Tegel entfernte Gardine von Zellenfenster eines Häftlings.Staatsanwalt ermittelt

Die Verletzung der Intimsphäre eines Gefangenen in der JVA Tegel beschäftigt derzeit die Staatsanwaltschaft. Der Häftling, untergebracht in einer Zelle im Erdgeschoß mit Waschbecken und WC und Blick auf den Freistundenhof, hat Anzeige erstattet gegen zwei Bedienstete des Strafvollzugs. Anfang Juni sollen die beiden die anstaltseigenen Gardinen in seiner Zelle abgenommen haben, die ihn bis dahin vor den Blicken von Hunderten von Gefangenen geschützt haben. Da das Fenster in der Höhe von einem Meter liege, sei seine Zelle vom Hof her voll einsehbar. Durch die Beseitigung der Gardinen, schrieb der Häftling der taz, müsse er seine sanitären Bedürfnisse nun „quasi öffentlich vor den Augen all der in der Anstalt lebenden Personen beider Geschlechter erledigen“. Einer der Bediensteten hätte die Gardinenabnahme mit den Worten „Das ist schon o. k.“ begründet. Der Gefangene beklagt sich über die „menschenunwürdige Behandlung“ und wehrt sich dagegen, der „allgemeinen Belustigung und sexuellen Erregung des vollen Freistundenhofes“ ausgesetzt zu sein. Also hat er Strafanzeige gegen die Bediensteten gestellt.

Justizsprecher Rüdiger Reiff bestätigte, daß ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet wurde. Jetzt müsse die Staatsanwaltschaft klären, ob das Abhängen von Gardinen ein Straftatbestand darstellt, so Reiff. Der Justizsprecher glaubt jedoch nicht, daß es zur Anklage kommen werde, auch wenn der Sachverhalt „vielleicht lästig“ sei. Den Streit „Gardine oder nicht“ vor einem Gericht auszutragen, sei allerdings „der falsche Weg“, so Reiff.

Zu einem Verfahren wird es vielleicht auch nicht mehr kommen: Der Leiter der JVA Tegel, Klaus Lange-Lehngut, erwies sich auf Nachfrage der taz gestern als „Gardinenschlichter“: Er wies den Teilanstaltsleiter an, die Gardine wieder anzubringen. Warum diese dem Gefangenen weggenommen wurde, wollte er jedoch nicht sagen. Barbara Bollwahn