Den Profit mit Solidarität verbinden

■ Die 34 Unternehmer der „Konzertierten Aktion lesbisch-schwule Wirtschaft Berlin“ wollen die Identität der Homosexuellen stärken. Lesben sind aber kaum vertreten

Unternehmer sind normalerweise ganz heiß auf Umsätze. Die Unternehmen, die sich in der „Konzertierten Aktion lesbisch- schwule Wirtschaft Berlin“ (KAB) zusammengetan haben, sind zwar auch ganz heiß. Jedoch weniger auf Gewinne als auf phantasievolle events in der Stadt, die die Identität von Schwulen stärken und noch dazu Spaß machen sollen. Denn 1991/92, als verstärkt Überfälle auf Schwule verzeichnet wurden, war die Stimmung in der Schwulenszene gar nicht lustig. Mann-O-Meter setzte sich damals mit einigen schwulen Betreibern von Cafés und Bars rund um den Nollendorfplatz zusammen und überlegte, was man tun könne.

Das erste Ergebnis der Runde war 1993 die Idee zu einem schwul- lesbischen Straßenfest rund um den Nollendorfplatz, der schwul- lesbischen Hochburg der Stadt. Als zu dem Fest anläßlich des 100. Geburtstages der ersten schwulen Wirtschaft am Nollendorfplatz gleich 40.000 Besucher kamen, ermunterte das die Organisatoren, mehr solcher Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Es folgten große und kleine Partys und Aktionen: auf der Linie U2 wurden Wagen gemietet, in denen Schwule aus Ost- und Westberlin feierten, zum Welt-Aids-Tag wurden Hunderte von Kerzen aufgestellt, für die Eurogames Flaggen gekauft, zur Berlinale wird alljährlich der schwule Filmpreis „Gay Teddybär“ verliehen.

Mittlerweile ist aus der kleinen Stammtischrunde eine große Gruppe von 34 schwulen und lesbischen Unternehmen geworden. Die Café,- Bar- und Reisebürobetreiber, Buchhändler und Mitarbeiter von Pflegestationen treffen sich alle zwei Wochen bei Mann- O-Meter. Auch das schwul-lesbische Stadtfest ist eine feste Institution geworden. Obwohl Ulrich Simontiwitz, einer der Mitbegründer von KAB und Betreiber des „Hafen“, „sehr stolz“ darauf ist, mahnt er zur Vorsicht: „Man muß aufpassen, daß die schwule Identät gewahrt bleibt.“ Auch wenn nicht- schwule Besucher „ganz wichtig“ seien, dürfe das Fest nicht zu einer „Euromeile“ werde. Denn wenn es darum gehe, für „positive Stimmung in der Stadt“ zu sorgen, gehe es in erster Linie darum, das „Bewußtsein für Solidarität“ zu stärken. Gerade jetzt, vor dem Hintergrund der Kürzungen im sozialen Bereich, dürften Projekte wie das Altenheim für Schwule und das „Lighthouse“ nicht in der Versenkung verschwinden. Der Senat dürfe zwar nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, so Simontiwitz. Doch mehr denn je sei Eigeninitiative gefragt, um „Projekten an der Existenzgrenze“ wie dem „Schwulen Überfalltelefon“ zu helfen.

Auch wenn für die schwulen und lesbischen Geschäftsleute der Profit an zweiter Stelle steht, sind sie derzeit dabei, einen gemeinsamen Fonds einzurichten, so Simontiwitz. Denn „ganz selbstlos“ seien die Unternehmen, die das Stadtteilfest stets vorfinanzieren, dann doch nicht. Trotzdem sei es „sehr angenehm“, daß die Wirte nicht nur übers Verdienen reden: „Das überrascht mich immer wieder“, so der „Hafen“-Betreiber.

Überrascht ist Simontiwitz auch darüber, daß unter den 34 Unternehmen nur ein einziges lesbisches ist. Eine Erklärung hat er dafür nicht. Die Berührungsängste zwischen Lesben und Schwulen, selbst in Kneipen, seien eben doch noch ziemlich groß. Barbara Bollwahn