■ Bonn lehnt Übernahme kommunaler Altschulden weiter ab
: Abzocker aus dem Westen

Seit inzwischen fast sechs Jahre schieben Bund, Länder und Gemeinden die sogenannten Altschulden von etwa 1.400 ostdeutschen Kommunen in Höhe von inzwischen 8,7 Milliarden Mark hin und her. Jetzt hat der Bundestag mit der Mehrheit der Regierungskoalition eine Gesetzesvorlage des Bundesrats zurückgewiesen, die vorsah, die sogenannten kommunalen Altschulden in den Erblastentilgungsfonds zu überführen. Finanzminister Theo Waigel will sich auf kaltem Wege eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen, indem er die kommunalen Altschulden zu legitimen Verbindlichkeiten der ostdeutschen Städte und Gemeinden erklärt.

In den neuen Bundesländern ist der täglich um 1,5 Millionen Mark anwachsende Schuldenberg längst zum Synonym geworden für die Fehler der Vereinigung und die westdeutsche Abzockermentalität. Die ostdeutschen Kommunal- und Landespolitiker, gehören sie nun der CDU, der SPD oder auch der PDS an, laufen in seltener Geschlossenheit Sturm gegen das Ansinnen des Bundesfinanzministers, der willkürlichen Finanzpolitik der DDR im vereinten Deutschland zur Anerkennung zu verhelfen. Für sie waren Kreditvereinbarungen in der DDR nicht mehr als Rechnungsposten der sozialistischen Finanzverwaltung und somit Verbindlichkeiten des Zentralstaates, für die nun der Bund aufzukommen habe.

Selbst das Angebot der Bundesregierung, zumindest die Hälfte der Schulden in den Erblastentilgungsfonds des Bundes zu überführen, ist eine verlogene Geste. Denn dort würden die kommunalen Altschulden für den Bund zum Nullsummenspiel, schließlich wäre er Schuldner und Gläubiger zugleich.

Die ostdeutschen Kommunen werden auch gegen diese Halbe-halbe-Regelung Sturm laufen. Viele von ihnen wären pleite, egal ob sie 100 oder 50 Prozent der vermeintlichen Verbindlichkeiten bedienen müßten. Die betroffenen Bürgermeister sind sich darin einig, an Theo Waigel keinen Pfennig zu zahlen. Lenkt die Bundesregierung nicht ein, werden langjährige Rechtsstreitigkeiten die Ost-West-Gegensätze weiter schüren. Christoph Seils