Ganz korrekt läuft es nicht

Am Sonntag wird in Mostar zum ersten Mal nach dem Krieg ein Stadtparlament gewählt  ■ Aus Mostar Erich Rathfelder

Als „Testwahl für die Wahlen in Bosnien“ stuft der scheidende Vizeadministrator der Europäischen Union in Mostar, Klaus Metscher, die Kommunalwahlen am kommenden Sonntag ein. Ob es anhand der Wahl jedoch gelingen wird, die durch den Krieg zwischen Kroaten und Muslimen 1993 bis 1994 zerrissene Stadt wieder zu vereinen, bleibt fraglich. Denn das Wahlsystem und das Wahlrecht verbürgen den nationalistischen Eliten beider Seiten den Erhalt ihres Machtbereiches.

Die nicht ethnisch gebundenen Oppositionsparteien haben demnach wenig Aussicht, die Geschicke der Stadt in Zukunft zu bestimmen. Und schon jetzt ist weiterhin sicher, daß die Wahl nicht ganz korrekt durchgeführt werden kann.

Immerhin ist es der Wahlkommission gelungen, in der sehr kurzen Zeit von 25 Tagen ein Wahlregister für 99.000 Menschen aufzustellen, die wahlberechtigt sind. Es handelt sich dabei um jene Bürger, die während des Zensus von 1991, also schon vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien, in der Stadt gelebt haben. Dabei sollte verbürgt werden, daß jene, die aufgrund der Kriegsverhältnisse die Stadt verlassen mußten und als Flüchtlinge im Ausland leben, an der Wahl teilnehmen können. Dagegen sind jene, die als Flüchtlinge aus anderen Teilen Bosnien-Herzegowinas jetzt in der Stadt leben, von der Wahl ausgeschlossen.

Die Flüchtlinge im Ausland dürfen in Deutschland, der Schweiz, Norwegen und Schweden wählen. In Deutschland leben 8.400 Menschen aus Mostar. Allerdings versperrt die deutsche Regierung den Flüchtlingen aus den Nachbarländern den Zutritt nach Deutschland. In Deutschland ist die Teilnahme an Wahlen für andere Staaten nur den Aufenthaltsberechtigten gestattet. So sind wahrscheinlich die Flüchtlinge, die in den Beneluxstaaten, in Tschechien, Polen oder der Slowakei leben, von den Wahlen ausgesperrt. Auch die aus Mostar geflohenen Serben haben kaum die Chance, an den Wahlen teilzunehmen. Zwar sollen Busse Serben aus Belgrad oder den serbisch kontrollierten Gebieten Bosniens nach Mostar bringen, die organisatorischen Schwierigkeiten sind jedoch groß. Die Europäische Gemeinschaft stellt auch Busse für die Flüchtlinge in anderen Ländern zur Verfügung. Und Zagreb hat freie Fahrt durch das kroatische Territorium versprochen.

Gewählt wird in den 95 Wahllokalen in den Herkunftsbezirken. So müssen Vertriebene an ihre Herkunftsorte zurückkehren. Dies wirft immense Sicherheitsprobleme auf. Die Sicherheitsexperten der Europäischen Union fürchten nicht einmal so sehr, daß es zu organisierten Störmanövern kommt. Sie fürchten individuelle Zusammenstöße der Vertriebenen mit ihren ehemaligen Nachbarn. Verläuft dieses Experiment jedoch reibungslos, steigen die Aussichten für die Realisierbarkeit der nationalen Wahlen am 14. September.

Jeder Wähler verfügt über drei Stimmen. Gewählt wird das Stadtparlament und die Vertretungen der sechs Bezirke. Drei dieser Bezirke sind jetzt kroatisch, drei muslimisch kontrolliert. Die Wähler in dem zentralen, gemeinsam zu verwaltenden Bezirk sind von den Bezirkswahlen ausgeschlossen. Das Gesamtparlament von 37 Sitzen wird zusätzlich durch sogenannte nationale Sitze bestimmt. Jeweils 16 Abgeordnete werden Muslime oder Kroaten sein, 5 stellen die Minderheiten – Serben, Juden und Jugoslawen –, dies sind Leute, die sich beim Zensus 1991 keiner Nation zurechnen wollten.

Die stärksten Parteien werden voraussichtlich die Nationalparteien der Kroaten und Muslime sein. Dabei tritt bei den Kroaten die Kroatisch-Demokratische Gemeinschaft (HDZ) an, die nach den Worten des kroatischen Bürgermeisters (West) und Spitzenkandidaten der HDZ, Mile Brajković, mit der Regierungspartei der Republik Kroatiens „eine Partei“ bildet. Auf der muslimischen Seite wird die „Liste für eine gemeinsame Stadt“ vom Bürgermeister (Ost), Safet Orusević, angeführt. Es ist eine Koalition zwischen der muslimisch-bosnischen Regierungspartei SDA und der „Partei für Bosnien“ des Ex-Ministerpräsidenten Haris Silajdžić. In beiden Teilen der Stadt tritt eine gemischte Liste aus nichtnationalistischen Oppositionsparteien an. Vier kroatische Kandidaten auf dieser Liste haben nach Drohungen von kroatischen Extremisten ihre Kandidatur zurückgezogen.