Im Kopf getankt

■ Substituierte Ex-Junkies heben ab: beim Segelfliegen in Tarmstedt

Bernd ist 35, seit seinem 18. Lebensjahr drogenabhängig, derzeit nimmt er Polamidon zur Substitution. „Wenn man viel alleine macht, ist man viel alleine,“ erläutert er eins seiner zahlreichen Probleme. Heute ist er nicht allein. Heute hebt er ab. Mit 14 anderen Substituierten verbringt er den Tag auf und über dem Segelflugplatz Tarmstedt/Westertimke.

In Bremen, in der Kornstraße, gibt es eine nützliche Adresse für Ex-Junkies: Kommunale Drogenpolitik e.V. – Begleitstelle für Substitution. Hier gibt es Beratung und Unterstützung, sogar Jobs innerhalb der Einrichtung, aber auch Schachspielen und gemeinsame Frühstücke im Garten. Wer etwas Geld aufbringen kann, fährt vielleicht zur Go-Kart-Bahn in Osterholz, mit auf Butterfahrt, in ein Konzert oder eben nach Tarmstedt. Diese Unternehmungen taugen nicht nur gegen das Alleinsein. „Man hat dann auch wieder so viel im Kopf getankt,“ sagt Bernd.

Therapie? Wer wird beim Segelfliegen an Therapie denken? Segelfliegen ist einfach schön. Wenn sich das Schleppseil der Motorwinde ausgeklinkt hat, geht einem das Herz auf. In 300 Metern Höhe begegnet man dem „Geier“, einem größeren Raubvogel, der hier Platzhirsch ist. Er zeigt zuverlässig, wo man ein bißchen Thermik zum Steigen findet. Die Sorgen, die anfingen, als einem ein Fallschirm aufgesetzt wurde, sind weggeblasen, nur das Landen ist noch mal eine Mutprobe. „Wie war–s,“ wird jeder Ankömmling von den Freunden begrüßt. „Der Start ist total geil, so vom Bauch her, ja doch, vom Feeling her ist der Start das Beste.“

Ängstliche befragen die Mitglieder der Segelfluggruppe Bremen, der der Platz gehört und die die Ex-Junkies als Gastflieger mitnehmen. Platzangst (Kommt man im Notfall raus?) und Mißtrauen gegenüber einem Fluggerät, das sich auf nichts als Luft stützt (Kann man das Teil lenken? – Im Prinzip ja!) sind weitverbreitet. Wie war das bei dir das erste Mal?

Für die Gastflieger aus Bremen ist es ein Erlebnis. Für die Leute vom Flugplatz eine „Maßnahme“. Aber sie kommen, nachdem sie zwei Mal gute Erfahrungen gemacht haben, mit der Szene zurecht. Zwar tauchen Bierdosen auf, ein eher verpöntes Bild hier. Doch der Kassenwart weiß zu berichten, daß die letzte Gruppe „sehr schön wieder alles aufgeräumt hat – sogar der Vorstand war zufrieden.“ BuS