: Lesben gingen am Bettelstab
■ CSD: Zahlreiche Aktionen gegen Rotstiftpolitik
Mit zahlreichen Aktionen protestierten Lesben und Schwule am Samstag bei der Christopher- Street-Day-Demonstration gegen die Rotstiftpolitik des Berliner Senats. Da gingen „Bettellesben“ in sackleinenen Gewändern am Bettelstab und forderten „Lohnverzicht bei Liebeskummer“. „Sparzwang, wir verzichten“ hatten sie sich auf die Fahnen geschrieben und boten auf Plakaten ein Sonderangebot an: Küsse kosteten statt einer Mark nur fünfzig Pfennig. Ein riesiges rosa Sparschwein zogen die MitarbeiterInnen des Prenzlauer Aidsprojektes PAP hinter sich her und erteilten der „Sparschwein-Politik“ bei schwulen und lesbischen Projekten eine Absage. Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) erklärte allerdings bei der Eröffnung der Parade, daß weitere Kürzungen nicht geplant seien.
Sonst hilft nur noch Piraterie! Die schwarzgekleideten Seeräuber des Theaters des Westens, das erstmals mit einem Wagen vertreten war, gehörten allerdings zur Besetzung des Musicals „Piraten“. Neben Piraten trieben auch allerlei falsche Päpste ihr Unwesen. Flankiert von sündhaft gut aussehenden Nonnen verteilten sie Hostien.
Am Potsdamer Platz sorgte die Parade für einen kurzfristigen Baustopp. Bauarbeiter ließen die Bagger stehen und imitierten den Hüftschwung der schwulen Schönheiten.
Für ausgelassene Stimmung sorgte der ohrenbetäubende Sound der zu rollenden Discotheken umgewandelten Sattelschlepper. So manche Anlage streikte aber nach dem Regen. „Hat irgendeine Lesbe Ahnung von Technik?“ Unser Generator ist kaputt?“ rief eine langbeinige Tunte mit schwarzen Locken in gespielter Verzweiflung.
Der Nassauer- und Schmarotzerblock hatte eindeutig die kreativeren Ideen und die bewegendere Abschlußkundgebung. Improvisiert im strömenden Regen sprach Carsten Schatz, der im März seinen Freund durch Aids verloren hatte, über Perspektiven der Aidspolitik. Dem Block hatten sich 27 Gruppen angeschlossen, darunter das Schwulenzentrum SchwuZ, die Lesben- und Schwulenberatung in der Kulmer Straße, die Allgemeine Homosexuelleninitiative AHA und die schwullesbische Wagenburg. Dorothee Winden
Siehe auch die Seiten 4 und 10
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