piwik no script img

Mit Mikrochips die Blindheit überwinden

■ Forscher wollen elektronische Sehhilfen in die Augen von Blinden implantieren

Mit elektronischen Chips wollen Wissenschaftler stark sehbehinderten oder blinden Menschen ein bescheidenes Sehvermögen wiedergeben. Im Blick haben sie dabei vor allem Personen, die unter der erblich bedingten Netzhautdegeneration Retinitis pigmentosa leiden. In Deutschland sind davon etwa dreißigtausend Menschen betroffen. Die lichtempfindlichen Photorezeptoren der Netzhaut (Retina) werden dabei nach und nach zerstört, die Krankheit ist bislang unheilbar. Vier Wissenschaftlerteams weltweit arbeiten an der Entwicklung elektronischer Sehhilfen, die die degenerierte Netzhaut ersetzen sollen.

Die beiden deutschen Teams unter Federführung der Professoren Rolf Eckmiller, von der Universität Bonn, und Eberhart Zrenner, Universität Tübingen, werden vom Forschungsministerium seit 1995 mit insgesamt 18 Millionen Mark vier Jahre lang unterstützt.

Eckmillers Gruppe setzt auf ein System, dessen einer Teil in das Auge eingepflanzt und dessen anderer als eine Art Brille getragen wird. Der flache „Retina-Encoder“ vor dem Auge nimmt das Bild ähnlich einer Kamera auf und überträgt dann drahtlos vorbereitete Bildsignale zu einer im Auge implantierten Mikrokontaktfolie, die mit den Ganglien des Sehnervs verbunden ist.

Beim Retina-Encoder handelt es sich um ein lernfähiges neuronales Netz, das der Betroffene für eine optimale Sehwahrnehmung einstellen müßte. „Er soll sich wieder in einer Fußgängerzone oder im Kaufhaus zurechtfinden können“, meint Eckmiller. Es werde zunächst nicht möglich sein, mit der Neuroprothese zu lesen.

Das Tübinger Team verfolgt ein anderes Konzept, obwohl es ebenfalls einen elektronischen Chip als Sehprothese verwenden möchte. Wie die Forscher berichten, soll das ganze System ins Auge implantiert werden. Zwischen zwei Schichten am Augenhintergrund – dem Pigmentepithel und der Netzhaut – wollen die Forscher hochempfindliche Mikrophotodioden auf Siliziumbasis einschieben. Die technischen Dioden ersetzen also die zerstörten körpereigenen Photorezeptoren. Über Elektroden, die mit winzigen Photodioden verbunden sind, sollen die noch intakten Nervenzellen der Retina gereizt werden, um dadurch im Gehirn Bilder zu erzeugen.

Die beiden amerikanischen Gruppen verfolgen das gleiche Konzept wie Eckmiller und arbeiten seit mehreren Jahren an Teilprojekten, berichtet die Selbsthilfeorganisation Deutsche „Retinitis pigmentosa“-Vereinigung. Forscher der John-Hopkins-Universität in Baltimore versuchen demnach, durch elektrische Stimulation die noch funktionsfähigen Ganglienzellen der Retina so zu reizen, daß im Gehirn ein Bild entsteht. Erste Experimente sind vielversprechend verlaufen“, heißt es bei der Selbsthilfeorganisation.

An der Bostoner Harvard Medical School in Verbindung mit dem Massachusetts Institute of Technology haben Experten bereits eine Folienstruktur mit Mikrokontakten entwickelt, die zwischen den lichtempfindlichen Rezeptoren und den ableitenden Nervenzellen eingesetzt werden soll. Erste Tests an Tieren wurden bereits begonnen. fwt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen