■ Bosnien: Die Staatengemeinschaft muß jetzt nachlegen
: Karadžić tritt immer weiter zurück

Das Kesseltreiben zeigt erste Wirkung. Der internationale Bosnienbeauftragte Carl Bildt stellt ein Ultimatum. Der G-7-Gipfel in Lyon untermauert die Forderung nach einem Rücktritt Karadžić' mit einer Resolution. Sanktionen drohen – nicht nur gegen die bosnischen Serben, sondern gegen Belgrad. Handlungsbedarf heißt das bürokratisch. Da dürften einige Drähte zwischen Belgrad und Pale heißgelaufen sein.

Der selbsternannte Präsident der bosnischen Serben ist also zurückgetreten. Ein schöner Erfolg für die internationale Gemeinschaft, gesichtswahrend vor allem für den in dieser Sache wiederholt abgeschmierten Bosnienbeauftragten Carl Bildt. Doch Vorsicht ist geboten. Die Forderung Belgrads an die bosnischen Serben lautete, eine mit allen Vollmachten ausgestattete Stellvertreterin für Karadžić zu ernennen. Das genau haben die bosnischen Serben getan: Die wenig liebenswerte Frau Biljana Plavsić jedenfalls, die jetzt alle präsidialen Vollmachten besitzt, ist nichts als eine Kreatur von Karadžić' Gnaden und eine Befürworterin der „ethnischen Säuberung“. Doch damit haben die bosnischen Serben den Ball wieder ins gegnerische Feld zurückgespielt. Von einem tatsächlichen Verzicht des mutmaßlichen Kriegsverbrechers auf die Macht kann keine Rede sein.

In diesem Ränkespiel würde es wenig überraschen, wenn der Zurückgetretene morgen von den bosnischen Serben wieder als Präsidentschaftskandidat präsentiert würde. Als Parteichef ist er jedenfalls mit einer überzeugenden Mehrheit wiedergewählt worden. Solange Karadžić ein politisches Amt ausübt, das über das eines Dorfschulzen in Pale hinausgeht, wird er die Macht in der Hand behalten, Dayton sabotieren und alle anderen zum Narren halten.

Die Herren in Washington und Paris, in London und Bonn sind sauer auf Karadžić, der sie öffentlich lang genug vorführte. Deshalb sind dessen Tage gezählt – auch wenn er, Symbol der grausigen „ethnischen Reinheit“, vorerst nur wankt, sein Unterbau aber noch intakt ist. Die internationale Staatengemeinschaft muß und wird nachlegen, direkt und unnachsichtig. Das politische Kalkül zu opfern und ein wenig Gerechtigkeit an seine Stelle zu setzen erfordert freilich mehr als Moral. Aber für den Frieden in Bosnien wäre es eine unschätzbare Hilfe. Georg Baltissen