Eine Opposition muß Karadžić nicht fürchten

■ Der machtpolitische Einfluß des Serbenführers ist noch längst nicht gebrochen

Berlin (taz/wps) – Mit Brief und Siegel hat der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić dem internationalen Bosnienbeauftragten Carl Bildt seinen Rücktritt erklärt. „Präsidiale Macht“ besitzt Karadžić nach Bildts Worten seit gestern nicht mehr. Doch die Übertragung der Amtsgeschäfte des Präsidenten auf die Vizepräsidentin Biljana Plavsić ist kein Rückzug von der Macht. Und Nachfolgerin Plavsić machte klar, daß Karadžić weiterhin Präsident bleibe, auch wenn er formal seine Amtsgeschäfte nicht mehr ausübe.

Wie unumstritten die Position des bosnischen Serbenführers in seiner eigenen Partei ist, zeigte seine Wiederwahl zum Parteichef auf der Konferenz der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) in Pale. Bei einer ungültigen Stimme votierten 353 Gefolgsleute geschlossen für den alten Parteivorsitzenden. Daß seine Partei ihn erneut zum Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen am 14. September nominieren wird, wenn er dies will, steht außer Zweifel.

Nach der Definition des Bosnien-Beauftragten Carl Bildt gilt die Führung eines Parteiamtes nicht als „öffentliches“ Amt. Bei dieser Definition würde Karadžić den internationalen Forderungen Genüge tun, wenn er nicht wieder kandidierte. Diese Interpretation wurde jedoch vom Gründer der einflußreichen Soros-Stiftung und US-Finanzmagnaten, George Soros, kritisiert. Dieser wies darauf hin, daß der Generalsekretär einer Partei in diesem Teil der Welt über wesentlich mehr Einfluß verfüge als ein Präsident.

Eine nennenswerte Opposition gegen Karadžić und seine SDS gibt es unter den bosnischen Serben bislang nicht. Die Versuche des Westens, im nordbosnischen Banja Luka den bosnischen Ministerpräsidenten Rajko Kasagić als Gegenspieler zu Karadžić aufzubauen, beendete letzterer kurzerhand mit der Entlassung seines Premierministers. Und auch die Versuche des serbischen Präsidenten Milosević, seine Sozialistische Partei als Gegengewicht zu Pale zu installieren, waren bislang nicht von Erfolg gekrönt. Auch wenn die Oppositionsparteien sich unlängst zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen haben, bleibt ihr Einfluß gering. Der Vorsitzende der Liberalen Partei, Miodrag Zivanović, nannte es schlicht unmöglich, gegenwärtig die Macht von Karadžić zu brechen. Karadžić' Leute kontrollierten nicht nur die politische Macht, sondern auch die ökonomische und – nicht weniger wichtig – den Zugang zu den Medien, erklärte Zivanović. Daran dürfte sich so bald nichts ändern. gb