Kein Bier mehr am Bosporus?

■ Erstmals hat die türkische Republik einen islamistischen Ministerpräsidenten

Istanbul (taz) – Zum erstenmal seit ihrer Gründung hat die türkische Republik einen islamistischen Regierungschef: Necmettin Erbakan, Vorsitzender der Wohlfahrtspartei ist Ministerpräsident, seine Koalitionspartnerin Tansu Çiller von der Partei des rechten Weges stellvertretende Ministerpräsidentin und Außenministerin. Beide Parteien besetzen je 18 Ministerien. Neben Tansu Çiller haben zwei weitere Abgeordnete der Partei des rechten Weges Ministerämter übernommen. In dem Koalitionsprotokoll findet sich wenig von der religiösen Rhetorik der Wohlfahrtspartei. Die Schlüsselministerien, die für das Militär und die Polizei zuständig sind, Verteidigungs- und Innenministerium sind mit Abgeordneten der Partei des rechten Weges besetzt.

Die Neubildung einer Regierung war notwenig geworden, nachdem die Koalition zwischen der Mutterlandspartei und der Partei des rechten Weges – beides rechtskonservative Parteien – wegen der persönlichen Rivalität zwischen Ministerpräsident Mesut Yilmaz und Tansu Çiller gescheitert war. In einer Woche steht das Vertrauensvotum des türkischen Parlamentes für die neugebildete Regierung an. Obwohl beide Parteien rechnerisch über die absolute Mehrheit im Parlament verfügen, könnte die Regierung daran scheitern. Mehrere Abgeordnete der Partei des rechten Weges haben angekündigt, mit Nein zu stimmen. Der Abgeordnete Necdet Menzir trat unmittelbar nach Bekanntwerden der Koalitionsvereinbarung aus der Partei aus. „Ich will nicht als Lügner dastehen“, sagte er unter Anspielung auf Wahlkampfversprechen Çillers, sie werde die Islamisten von der Macht fernhalten.

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