Es brahmst, es wagnert

■ Herbert Hencks Pianospiel machte Schönberg zum Klangabenteuer

Fragmente von Arnold Schönberg, Musik von Josef Matthias Hauer und Jean Barraqué: Wer hätte gedacht, daß bei einem solchen Programm der Innenhof des Übersee-Museums voll besetzt wäre? „Piano Adventures“ versprachen der Pianist Herbert Henck und der Veranstalter Ingo Ahmels von Dacapo am Sonntag abend , und gleich am ersten der insgesamt sechs Abende kamen die HörerInnen voll auf ihre Kosten. Das ist natürlich vor allem der außerordentlichen Leistung des Ausnahmepianisten Herbert Henck zu verdanken.

Die Wiedergabe der siebzehn Fragmente von Arnold Schönberg war eine deutsche Erstaufführung. Zwischen 1894 und 1934 entstanden, dokumentieren sie Schönbergs stilistischen Weg. Vollgriffig brahmst und wagnert es in den ersten dreien, dann folgen Stücke in freier Tonalität und am Ende einige in der Zwölftontechnik. Interessant ist der Zustand der Fragmente. Unvermittelt brechen sie meist an einem scheinbaren Höhepunkt ab. Fragment hin oder her – Schönbergs Musik hat ein Stück Musikgeschichte geprägt.

Herbert Henck wies mit kraftvollem und sensiblen Einsatz nach, daß eine zyklische Aufführung dieser Fragmente Sinn macht und lustvoll zu hören ist.

Dann Josef Matthias Hauer (1883 – 1959), der Mann, der die Schönberg zugeschriebene Erfindung der Zwölftontechnik für sich beansprucht. Henck spielte den 1923 entstandenen Zyklus „Klavierstücke mit Überschriften nach Worten von Friedrich Hölderlin“, op. 25. Bis heute ist es so, daß sich an der Musik dieses nahezu mystischen Außenseiters mit seinen atonalen, den Entsprechungen der Farbenlehre nachgestalteten Melodien die Geister scheiden. Sie hat fast keine dramaturgische Spannung, klingt einfach beliebig und schön.

Kein Vergleich jedenfalls zu der angestrengten und anstrengenden „Sonate pour piano“ von Jean Barraqué, die der französische Komponist 1959-62 komponierte. Als nach 1945 die Zwölftontechnik wieder aktuell wurde und aus ihr heraus die serielle Musik entstand, zählte Barraqué zu den Komponisten, die mit äußerster Konsequenz dieses System umsetzten. Henck schaffte es mit seinem unbeschreiblichen technischen Vermögen, den Hörer in das dreiviertelstündige Struktur- und Klangabenteuer hineinzuziehen.

Der lang anhaltende Beifall sprach für sich.

Ute Schalz-Laurenze