Amtsgericht
: Keine leeren Versprechungen

■ Wie ein kleiner Ganove Parlamentarier spielen wollte und damit nicht durchkam

Karl-Friedrich R. ist eine elegante Erscheinung: Das silbergraue Haar und der Schnauzer im schmalen Gesicht sind akkurat geschnitten. Das leichte rostrote Sakko sitzt wie angegossen, die dunkelblaue Hose dazu darf modisch weit schlabbern. Die Schuhe sehen auch nicht gerade billig aus.

Nach den Stationen seines Wirkens in den letzten Jahren zu schließen, könnte der 48jährige ein Handlungsreisender sein, der Deutschland inzwischen gut kennen muß. Tatsächlich dürften ihm aber von seinen diversen Aufenthalten zwischen Hamburg und Garmisch-Partenkirchen weniger die Einrichtungen der Kultur als vielmehr die der Justiz in Erinnerung geblieben sein. 36 Eintragungen zeigt sein Strafregister, fast alle wegen Betrugs, viele davon in mehreren Fällen. Fünfzehn Jahre hat R. bis jetzt hinter Gittern verbracht, die letzten Monate in U-Haft in Berlin.

Im März dieses Jahres betrat R. das Hapag-Lloyd-Reisebüro in der Friedrichstraße. Er gab an, Mitglied des Bundestages zu sein, und verlangte drei Fahrkarten erster Klasse nach Freiburg und zurück im Wert von 1.400 Mark. Die Rechnung sollte an die Kostenstelle des Bundestags gehen. Mag sein, daß die Angestellte im Reisebüro die Namen sämtlicher Volksvertreter im Kopf hat; vielleicht war ihr aber auch die Tätowierung auf R.s linkem Handrücken aufgefallen, die sie nicht so recht mit ihrer Vorstellung von einem Parlamentarier vereinbaren konnte; jedenfalls war sie mißtrauisch und gab die Karten nicht heraus.

Keine zwei Stunden später versuchte R. es in der Hapag-Lloyd- Filiale in der Hardenbergstraße, diesmal unter falschem Namen als Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes mit dem Reiseziel Basel. Doch auch hier hatte er keinen Erfolg. Im Gegenteil: Noch am gleichen Tag wurde R. festgenommen.

Vor Gericht zeigt sich Karl- Friedrich R. überaus reuig. Er bedauere seine Tat aufrichtig – „das habe ich noch keinem Richter gesagt“ – und möchte nun keine Versprechungen machen, denn die höre so ein Richter ja jeden Tag, aber er wolle sich ehrlich um Besserung bemühen. „Ich bin jetzt 48 Jahre alt, irgendwann muß Schluß sein.“ Er sei auch bereit, sich einer „ambulanten Sozialtherapie“ zu unterziehen.

Nach den Gründen für seine notorischen Verfehlungen befragt, kann R. nur seine Kindheit und Jugend im Heim anführen. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aber nicht durch solche Betrügereien; er habe zwischendurch im Gaststättengewerbe sowie als Maurer und im Straßenbau schwarzgearbeitet.

Die Staatsanwältin zeigt sich von R.s Beteuerungen wenig beeindruckt und fordert eine fünfzehnmonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Der Verteidiger ist mit dem Strafmaß einverstanden, findet aber, daß R. noch eine Chance in Form einer langen Bewährungszeit mit hohen Auflagen bekommen sollte. Der Richter und die Schöffen sehen es anders. Im Namen des Volkes muß R. 16 Monate absitzen und wird außerdem einer Führungsaufsicht unterstellt. Das Gericht konnte nicht erkennen, warum R. sich nach über 25 Jahren jenseits der Gesetzestreue nun plötzlich läutern sollte. Annette Fink