: „Durch Analyse werden Probleme geschaffen“
■ Pavol Štec, Chefredakteur von „TV Naša“ im ostslowakischen Košice, über die Rolle seines Senders bei der Lösung von Konflikten zwischen Slowaken, Ungarn und Roma
„TV Naša“ (Unser TV) sendet seit Mai 96 in der ostslowakischen Industriemetropole Košice. Der Sender ist aus einem Regionalfenster des Staatsfernsehens STV hervorgegangen. Eigentümer ist eine Privatfirma. Der Sender erreicht insgesamt etwa 350.000 Menschen.
taz: Herr Štec, was unterscheidet Ihre Beiträge von denen des Staatsfernsehens STV?
Pavol Štec: Wir brechen mit der konventionellen Vorstellung von Fernseharbeit, die in der Slowakei noch weit verbreitet ist. Wir sind nicht so perfektionistisch, wir achten nicht so sehr auf die Richtigkeit des Ausdrucks, und wir betonen nicht ständig das Offizielle. Bei uns haben die Leute auch mal die Hände in den Taschen. Unsere Darstellungsqualität ist vielleicht schlechter, aber dafür können wir ein Ereignis, schon sieben Minuten nachdem es sich zugetragen hat, bringen. Und natürlich kennen wir die Stadt viel besser.
Warum bringen Sie keine Feuilletons, sondern nur Magazine?
Für Feuilletons fehlt uns noch die Zeit. Mit den Magazinen, die wir bei einem Verkehrsunfall auch mal unterbrechen können, binden wir Zielgruppen – von den Kleintierzüchtern bis hin zur Internet- Gemeinde.
Das offizielle Verhältnis zwischen der slowakischen und der ungarischen Regierung ist eher ge- spannt. Andererseits ist Košice eine Vielsprachenstadt. Senden Sie auf slowakisch? Oder auch auf ungarisch?
Auf slowakisch. Über Ereignisse der Ungarn berichten wir auf slowakisch, und die Ungarn befragen wir auf slowakisch, weil sie hier alle auch slowakisch sprechen. Einige unserer Kameraleute sprechen ungarisch. Bei ungarischen Antworten oder wenn wir Besuch aus den ungarischen Nachbarstädten haben, übersetzen oder untertiteln wir natürlich.
Košice stilisiert sich immer gerne zur toleranten Stadt. Aber Slowaken und Ungarn sind in der rabiaten Ablehnung der Roma vereint, obwohl sie wie die Ungarn mehr als zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Was bedeutet die Intoleranz für das Fernsehen?
Wir zeigen, wie Roma aus einer widerrechtlich bezogenen Wohnung geräumt werden oder weil sie die Miete nicht bezahlt haben. Wir lassen auch die Leute zu Wort kommen, die sich ein Jahr lang nicht daran gestört haben. Gerade haben wir eine Reportage über die Blumenkübel gemacht, die überall zur Verschönerung aufgestellt wurden. In der Innenstadt gibt es viele Leute, die sich nicht darum kümmern. Da haben wir das positive Beispiel einer Roma-Familie gebracht, die regelmäßig die Blumen gießt.
Als Ausnahme?
Objektiv ist es so.
Wenn es Konflikte in der Stadt gibt, welche Aufgabe hat dann eine kommunale Fernsehstation? Soll sie Spannungen abbauen?
Das ganze Nationalitätenproblem entsteht doch erst durch Politiker, die sich einmischen. Wo die Leute seit langem zusammenwohnen und sich kennen, entstehen keine Probleme wegen der Nationalität. Probleme „zwischen Slowaken und Ungarn“ analysieren wir nicht, denn durch eine solche Analyse werden die Probleme erst geschaffen. Interview: Dietmar Bartz, Košice
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