Striptease total und dazu etwas Humphrey Bogart

■ Erotik und Uraltstreifen dominieren in Italien das Programm kleiner Privatsender

Der erste Sender, der sein „Nachtprogramm“ beginnt, ist Retecapri. Gegen halb elf Uhr abends leuchten die ersten Telefonnummern auf, die mit „00“ beginnen. Dahinter räkeln sich diverse Damen in Betten, Swimmingpools, auf Wiesen und auch schon mal hinter der Theke einer Espressobar: Striptease total in zwei bis drei Minuten. Dann wechseln die Telefonnummer und der Körper.

Sie heißen Selen oder Jessica, Rizzo, Baby Pozzi oder Karin Schubert, mitunter werden sie auch ohne Namen vorgestellt, dafür aber mit Lobpreisungen versehen wie „Frauen ganz verschiedenen Typs, von der schlichten Blondine bis zur raffinierten Intellektuellen, von der üppigen Schwarzgelockten bis zur zierlichen Studentin, und alle sooo scharf darauf, unsere erotischen Erfahrungen mit dir auszutauschen. Ruf uns an, gleich, bittebitte, wir halten es nicht mehr aus vor Lust.“ Es stöhnen immer die gleichen, auf allen Kanälen. Vielfalt ist selbst beim Sex nicht mehr gegeben.

So bringt auch Zappen kaum etwas. Der einzige Sender, der sich ab ein Uhr ins CNN-Programm einklinkte, ist pleite gegangen. Damit ist heute der Lokalsender SL 48 die einzige Ausnahme der Region. Während sich auf Quarta Rete eine gewisse „Pussycat“ beim heftigen Onanieren zeigt und auf Canale 7 die „Gay Line“ lockt, bringt dieser Lokalsender stundenlang mit Festkamera aufgenommene Tanzveranstaltungen aus den örtlichen Restaurants – keine Disco, sondern Walzer und Volkstänze, ein Akkordeonspieler und zwei gleichaltrige Teenager bieten die nötige Live-Musik.

Erstaunlicherweise hat die biedere Veranstaltung Erfolg. Die Einschaltquote ist die höchste in der Region. Der Grund: Die Leute schauen zu, weil sie Bekannte beim Rundendrehen ausmachen wollen, um sie am Tag danach anzurufen: „Ich hab' dich gestern im Fernsehen gesehen“, was diese zu einem geheimnisvollen Lächeln bewegt: „Jaja, so bedeutend bin ich halt.“

Die anderen Sender halten dennoch lieber am Sex fest. Er bringt schnelles Werbe-Geld: Die Fleisch-Stunden zwischen Mitternacht und sechs Uhr werden allenfalls durch viertelstündige Verkaufssendungen unterbrochen. Im Angebot ist alles: von Schweißgeräten über Trittleitern bis hin zu High-Tech-Geräten oder ein Bad zur Massage müder Füße.

Das „Programm“ erschöpft sich meist in einem Spielfilm pro Nacht – meist Hollywood-Oldtimer, allen voran „Casablanca“ mit Humphrey Bogart und „Moderne Zeiten“ von Charly Chaplin. Sie kann man jede Woche mindestens dreimal in einem der Privatprogramme sehen. Das Erstaunlichste: Die Eintönigkeit hat Zuschauer. In vielen Haushalten laufen die Geräte die ganze Nacht – könnte ja sein, daß zwischen all die Busen und Popos auch mal eine Neuigkeit verpackt wird. Und wer mag die schon verpassen? Werner Raith, Terracina