Freud und Leid des Sonnenstroms vom Dach

■ Erste Auswertung des 1.000-Dächer-Programms der Bundesregierung

„Die Betreiber haben jetzt mehrere Jahre Erfahrung mit ihrer Photovoltaikanlage. Da ist der Kitzel des Neuen inzwischen weg“, sagt der Wissenschaftler Genennig vom Leipziger Umweltinstitut. Gemeinsam mit Volker Hoffmann vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg wertet Genennig die Erfahrungen mit dem 1000-Dächer-Programm aus. Damit wollte die Bundesregierung die Verbreitung von Solarstrom- Anlagen fördern. Ernüchtert waren die 156 von insgesamt 1.450 befragten Solar-Enthusiasten, denen Modulhersteller oder staatliche Antragsstellen irreale jährliche Stromausbeuten in Aussicht gestellt hatten.

„Die zugesicherten Jahreserträge reichen bis zu 1.595 Kilowattstunden pro Kilowatt Spitzenleistung“, berichtet Genennig. Das sei etwa das Doppelte des bundesdeutschen Durchschnittswertes. Wegen dieser Differenzen wollen einige Betreiber in Sachsen und Bayern jetzt sogar die Gerichte einschalten.

Genennig rechnet vor, wie eine realistische Bilanz der Solarfreaks aussieht: Durch die 70prozentige Förderung haben sie für ein Kilowatt installierter Leistung (10 Quadratmeter Modulfläche) 8.000 Mark bezahlt. Dafür erhalten sie pro Jahr etwa 175 Mark, wenn sie den erzeugten Strom vollständig in das Netz ihres Energieversorgers einspeisen. Wenn die voraussichtliche Betriebszeit ihrer Anlage von 20 bis 30 Jahren abgelaufen ist, hätten sie also die reinen Anschaffungskosten erwirtschaftet.

Auch diese Rechnung geht freilich in der Realität nicht auf: 21 Prozent der Betreiber erhalten von ihrem Stromunternehmen nicht einmal die Mindestvergütung nach dem Stromeinspeisegesetz von 17 Pfennig pro Kilowattstunde. Angesichts geringer Einspeisevergütungen wäre es für die Betreiber am sinnvollsten, den erzeugten Strom selbst zu nutzen. Doch drei Viertel der Betreiber gehen tagsüber arbeiten und können deshalb die Elektrogeräte nicht selbst einschalten, wenn die Sonne am meisten lacht. „Hier geht die klare Forderung an die Industrie, die Betreiber besser über den Einsatz von Zeitschaltuhren zu informieren“, schlußfolgert der Soziologe. Trotz der Probleme würden nur drei Prozent der Sonnenstrom-Produzenten sich nicht wieder auf ein solches Experiment einlassen.

Sonnenstromtechnik fördert offenbar auch die Kontaktfreude: In manchen Regionen haben sich laut Genennig bereits Betreibergemeinschaften gebildet, in denen über Sonnenscheindauer, Stromausbeute und Einspeisevergütung gefachsimpelt wird.

Andererseits kann die Anlage auf dem Dach auch zu Familienstreit führen: Besonders die nachwachsende Generation sei nicht immer bereit, ihr Verbrauchsverhalten nach den Energiesparvorgaben des Familienoberhaupts und dem täglichen Strahlungsverlauf zu richten. So gelten nur 15 Prozent der Betreiber als „Energiesparer“ mit Stromverbräuchen unter 2.500 Kilowattstunden pro Jahr. Die überwiegende Mehrzahl sind „umweltbewußte Normalverbraucher“. Weitere 15 Prozent, die im Jahr mehr als 5.000 kWh konsumieren und über ein hohes Haushaltsnettoeinkommen verfügen, rechnet Genennig den „Statussymbolikern“ zu. Stefan Schroeter