Amerikanischer Biokonzern bietet fünfzehn Dollar pro Spezies in den botanischen Gärten Europas

Der amerikanische Biotechnologiekonzern Phytera Inc. versucht seit etwa zwei Wochen, durch Verträge mit europäischen botanischen Gärten an weiterverwertbares genetisches Pflanzenmaterial zu gelangen, ohne die Herkunftsländer dafür entschädigen zu müssen. Marina Steindor, die Sprecherin für Gentechnologie der Bündnisgrünen, und die Biologin Christine von Weizsäcker gaben gestern in Bonn bekannt, daß Phytera unter anderem an die Gärten in Berlin und Frankfurt herangetreten sei, um für 15 Dollar pro Spezies genetisches Pflanzenmaterial zu kaufen, das für Medikamente vorgesehen ist. Die „Konvention über die biologische Vielfalt“, beschlossen 1994 in der Folge des Umweltgipfels in Rio de Janeiro, sieht jedoch vor, daß die Pharmaunternehmen mit den Herkunftsländern der Pflanzen verhandeln und sie für die Nutzung ihrer ökologischen Ressourcen angemessen entschädigen.

Die botanischen Gärten Europas besitzen nach Angaben der Biologin von Weizsäcker 70 bis 90 Prozent aller tropischen höheren Pflanzen der Erde. Über das Internet können diese bereits problemlos abgefragt werden. Den Pharmaunternehmen bietet sich also ein reiches Angebotsfeld, ohne daß sie den Umweg über die Herkunftsländer nehmen müssen.

Ungeklärt ist laut Steindor die Frage der Eigentumsrechte an dem genetischen Pflanzenmaterial. Die Grünenpolitikerin sprach den botanischen Gärten dieses Recht ab, da europäische Wissenschaftler in Zeiten der Kolonialisierung tropische Pflanzen widerrechtlich in ihren Besitz gebracht hätten. Um einen Ausverkauf der ökologischen Ressourcen der Dritte-Welt-Länder zu deren Lasten zu verhindern, forderten Steindor und von Weizsäcker die Bundesregierung auf, endlich eine verbindliche Rechtslage in Deutschland zu schaffen. Bonn unterstütze zwar die Bestimmungen der Konvention über die biologische Vielfalt, habe aber bisher keine rechtliche Klarheit geschaffen, um Fälle wie das Vorgehen des amerikanischen Pharmakonzerns zu unterbinden. Die Botanischen Gärten in Berlin und Frankfurt haben inzwischen die Offerte Phyteras abgelehnt.Jochen Pfender

Foto des Botanischen Gartens in Berlin: Heinrich Drach