ÖTV kündigt Widerstand gegen Sparpaket an

■ ÖTV will die Kürzung der Lohnfortzahlung nicht hinnehmen, SPD fordert Kindergelderhöhung und eine harte Linie im Bundesrat gegen die Kürzungen

Berlin (AP/taz) – Massive Proteste sollen im Herbst Deutschland erschüttern. Dies kündigte der Chef der ÖTV, Herbert Mai, an. In einem Interview sagte er gestern, falls die 20prozentige Kürzung des Lohns im Krankheitsfall wirklich greifen sollte, wie der Bundestag dies in der vergangenen Woche beschlossen habe, werde es „bitteren Widerstand“ geben. „Uns bleibt nichts weiter übrig, als diese Kampfansage anzunehmen“, sagte Mai. „Gegen die Kürzung werden wir alles einsetzen, was wir als Kampfmittel haben.“

Wann genau mit dem Protest der ÖTV zu rechnen ist, steht dahin. Bislang schützt der Manteltarifvertrag des öffentlichen Dienstes die Beschäftigten vor diesem Sparbeschluß der Bonner Regierung. Erst wenn die Arbeitgeber diesen Manteltarifvertrag kündigen, wirkt das neue Recht. In demselben Interview verwies Mai auf die schlechte Stimmung unter den ostdeutschen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Es sei eine deutliche Annäherung an das Gehaltsniveau im Westen erwartet worden als lediglich die Steigerung von 84 auf 85 Prozent.

Sauer auf die Regierung ist auch Ingrid Matthäus-Maier. Die Finanzexpertin der SPD kritisierte im Namen ihrer Partei die Verschiebung der Erhöhung des Kindergeldes. Sie wandte sich damit auch gegen Manfred Stolpe, SPD- Ministerpräsident von Brandenburg, der am Wochenende gesagt hatte, zugunsten von Arbeitsförderungsmaßnahmen wäre für ihn ein Aufschub durchaus denkbar. Matthäus-Maier rechnete vor, daß einer Familie mit zwei Kindern im Jahr 480 Mark vorenthalten würden. Dies würde die Kaufkraft und damit die Konjunktur schwächen.

In den Reigen der Kritiker reihte sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) ein. Der niedersächsische Ministerpräsident riet seinen SPD-Kollegen im Vermittlungsausschuß des Bundestages, „hart“ über das beschlossene Sparpaket zu verhandeln. Für den 19. Juli, dem Tag, an dem das Sparpaket dem Bundesrat zugeleitet wird, empfahl er ebenfalls „Härte“ zu zeigen, um „die materiellen Lebensbedingungen und Rechte der arbeitenden Menschen zu verteidigen“. Maßstab in der Verteilungsdebatte müsse die Orientierung an den Beschäftigten sein. Wer im Jahr 60.000 Mark verdiene, sagte Gerhard Schröder, sei für ihn noch kein Besserverdienender.

Die Retourkutsche fuhr im Namen der Bundesregierung Wolfgang Gerhardt. Der Vorsitzende der FDP warnte davor, sich das Sparpaket „über die Sommerpause zerreden zu lassen“. Für seine Partei seien die Beschlüsse das „Minimum an notwendiger Beschlußfassung“. roga