Zornige Buddhas

■ Die Jahresausstellung der Kunsthochschule bietet trotz Teilschließungsabsichten wieder ein buntes Kunstfüllhorn

Eine Maschine, die in 15 Monaten einen Topflappen langsam aber restlos aufrippelt, ein Sektglas, das in mikroskopischer Langsamkeit über einen Tisch gezogen wird, bis es eines Tages abstürzt: In der Klasse von Claus Böhmler wird gezeigt, wie subversiv sich manche Dinge ändern. Die kleine Installation ist Teil der großen Jahresausstellung der Hochschule für bildende Künste, der allerdings weitaus drastischere Änderungen bevorstehen. Die Abschaffung des Architekturvollstudiums droht.

Doch diese Woche sind die Tore weit geöffnet und Besucher können in Ateliers und auf den Gängen die aktuelle Kunst im Werden betrachten. Ob der alchemisch begründete „Überlebensapperat“ von Oliver Ross mit seinen Schläuchen und Flaschen, ob die Malmaschine von Stephan Wiegleb oder wandlange Assemblagen von Film- und Fankultur, die Jonathan Meese materialprall aufgebaut hat, der Besucher findet zahlreiche Installationen, die ihre eigene Weltsicht anbieten. Er kann sich über blaue Dackel, fliegende Buddhas und runde Billardtische wundern, sich beim Cocktail in der „Über-Trag-Bar“ aktuelle und zusammenfassende TV-Reportagen von der Jahresausstellung anschauen oder sich für den „World-Hairglobe“ von Markus Häberlin die Haare schneiden lassen.

Die Kunst hat schon längst alle Materialien erobert, so wird auch genäht, was das Zeug hält: agressive Doppelanzüge, die zwei Personen durch die Außenhülle in einen Kampfposition zwingen (Klasse Bogumir Ecker), ein 40-Meter-Dress und Klarsichtkleider bei Gastdozentin Kiki Smith, ein Aquarium aus Wolle (Klasse Helms) oder gehäkelte violette Kreuze in der Klasse der Mystagogin Marina Abramovic. In der Eingangshalle dominiert eine Vision: die originalgroße Rekonstruktion des vor rund fünfhundert Jahren geplanten Säulenumgangs um Bramantes Tempietto von S.Pietro in Montorio in Rom, einem idealtypischen Zentralbau der Renaissance. Doch der Außenhof wurde bis heute niemals realisiert und so nannte die Hochschulpräsidentin in ihrer Eröffnungsrede das Projekt der Architekturstudenten angesichts der geplanten Einschnitte an der Hochschule „Die Materialisierung einer Einsparung“.

Denn so vielseitig und interessant der Gang durch das Haus auch ist, die schwarzen Schatten des Sparzwangs schweben über der Kunsthochschule. Die drohende Streichung des Architekturstudiengangs wird schon am Eingang mit der Umformulierung „Aus?Stellung!“ plakativ kommentiert.

In seiner Rede zur letzten Jahresausstellung hatte Wissenschaftssenator Hajen angeregt, die Hochschulen selbst sollten über Reformen in der Architektur-Ausbildung nachdenken, inzwischen diskreditierte der Abschaffungsbeschluß dies als Rhetorik. Adrienne Goehler bezog deutlich Stellung: „Der ruinöse Umgang mit der Zukunft unseres Bildungswesens und die fraglose Preisgabe fast sämtlicher sozialer Errungenschaften in diesem Lande hat sich der Unverantwortlichkeit genähert“.

Aber nicht nur die Politiker mußten sich von der Präsidentin einiges sagen lassen, sie kritisierte auch die beamteten Professoren, die bereit sind, sich „in aller zynischen Bescheidenheit in das Los des vorzeitigen Ruhestands zu fügen“. Tatsächlich sind die vom Senat errechneten Einsparungen bei Streichung des Vollstudiengangs Architektur aufgrund des Beamtenrechts geringer als zwei Millonen Mark und greifen erst ab dem Jahr 2008.

Fakt ist, daß gerade von der Architekturabteilung wesentliche neue Impulse ausgingen. So entstand beispielsweise aus der Arbeitswoche mit Stararchitekt Daniel Libeskind ein Projekt zur Neugestaltung der Hochschule in Form und Inhalt.

Was sonst noch auffällt, ist eine stärkere Präsenz figürlicher oder um die Körperthematik kreisender Arbeiten sowie ein neues soziales Engagement in der Kooperation von Klassen, der Herstellung von Öffentlichkeit und dem Interesse an der Party als Kommunikationsform. Hajo Schiff

Bis 6. Juli, 10-19, Sa nur bis 17 Uhr. Weitere Veranstaltungen gemäß kurzfristiger Ankündigung, z.B.: heute 21 Uhr, Mensavorraum: Essen nach Drehbuch