„Was will denn der Neger da?“

■ „Invisible“, ein schwarzes Magazin aus Bremen, will als Sprachrohr der Afrikaner fungieren

Gern hätte Kwadwo Wiafe, Redakteur des „Invisible Magazine“, früher zurückgerufen, um unseren Gesprächstermin zu bestätigen. Dazu hätte er allerdings ein Telefon gebraucht. Und die Erlaubnis, es zu benutzen. Beides hatte er nicht. Wiafe saß den halben Tag und den ganzen Abend in einer Zelle im Bremer Polizeihaus am Wall. Grund: Überprüfung der Personalien – reine Routineangelegenheit.

Traurige Routine auch für Wiafe. Daß er auf offener Straße von Polizisten angehalten wird, die es dann schon mal ganz genau wissen wollen und neben dem Paß und dem Presseausweis auch die Fingerabdrücke sehen wollen, um die fragliche Identität restlos zu klären – das ist ihm in Bremen häufiger passiert. Nicht, daß Wiafe irgendwie vorbestraft oder sonstwie verdächtig wäre. Wiafe kommt aus Ghana, seine Hautfarbe ist schwarz. Das ist alles. „Wenn ein Afrikaner zu mir kommt und erzählt, daß er von der deutschen Polizei schlecht behandelt wurde – dann glaube ich ihm das erst mal“, sagt Wiafe nach solchen Erfahrungen. Mehr noch: Er schreibt die Geschichte auf. Wiafe ist Gründer, alleiniger Redakteur und Herausgeber von „Invisible“ – „Germans Most Comprehensive Black Magazine“, wie es inzwischen stolz im Untertitel heißt.

„Invisible“: Der Name des Magazins ist Programm. „Es geht um Dinge, die wir nicht wahrnehmen, aber die dennoch jeden Tag passieren“, sagt Wiafe. Um das Unsichtbare sichtbar zu machen, gründete der Autodidakt 1993 seine Zeitschrift. Zunächst mit 24 Seiten, inzwischen über 50, das allermeiste selbst recherchiert und geschrieben. Politik und Kultur; Minister Kinkel in Rwanda und der Kicker Tony Yeboah in Frankfurt am Main; vor allem aber persönliche Statements über das Leben der Afrikaner in Deutschland. 490.000 waren im Jahr 1993 in Deutschland offiziell registriert; „die Dunkelziffer liegt weit höher“, sagt Wiafe, „vielleicht sind es 800.000, vielleicht eine Million.“ In Bremen schätzt er die Zahl auf rund 8.000, die aus den unterschiedlichsten Staaten kommen. Wiafe selbst brachte die Neugierde vor elf Jahren aus Ghana hierher. Seit seiner Heirat mit einer Cuxhavenerin lebt und arbeitet er in Bremen.

„Zeitungen sind das Sprachrohr der Leute“, weiß Wiafe. Für die deutsche Presse aber seien die Afrikaner unsichtbar. Ausnahmen würden nur gemacht, wenn es um Straffälle gehe. „Aber da stehen die Opfer dann oft als Täter da und umgekehrt.“ Klare Schlußfolgerung für Wiafe: Die Afrikaner brauchen ihr eigenes Sprachrohr – „wir müssen uns selbst eine Meinung bilden, uns selbst äußern, von einem schwarzen Standpunkt aus.“

Denn nur durch mehr Selbstvertrauen sei etwas in den Köpfen zu ändern. „Role Models“ müssen her, sagt Wiafe. Im „Invisible Magazine“ stellt er sie vor: die schwarze Busfahrerin, den Journalisten und den Kaufhaus-Detektiv – „der fängt die Diebe wie verrückt, weil niemand glaubt, daß der Schwarze neben ihnen ein Detektiv sein könnte“, grinst Wiafe; „die halten ihn natürlich eher selbst für einen Dieb.“

Neben solch positiven Nachrichten kommen die Probleme fast automatisch ins Blatt. Ein Journalistenkollege Wiafes, Kenyaner mit Wohnsitz in Bayern, schreibt über das immer neue Erstaunen der Polizei, wenn ein schwarzer Reporter samt Kamera am Tatort auftaucht: „Was will denn der Neger da?“ Seit der deutschen Wiedervereinigung, sagt Wiafe, haben solche Tendenzen spürbar zugenommen. In einer der letzten Ausgaben zeigte Wiafe, wie unterschiedlich der Umgang mit Fremden sein kann: In zwei Porträts stellte er den Aufstieg eines bayerischen Autohändlers, der sich in Ghana wie ein Kaiser hofieren läßt, mit dem Krach gegenüber, den es in Erfurt um die Einstellung eines Postboten aus Mosambique gab.

Sowas geht den Schwarzen an die Nerven. Wiafe weiß, daß viele Afrikaner in Deutschland sich in ihrer Haut unwohl fühlen, daß sie ihre kulturelle Herkunft leugnen. Wie stark das Bedürfnis ist, verstanden zu werden, sieht Wiafe am Zuspruch für sein Magazin. Bis zu 4000 Exemplare der jungen Zeitschrift werden inzwischen verkauft. In den Afro-Shops, die in den meisten deutschen Städten existieren, ist das Heft rasch nach Erscheinen vergriffen. Und Wiafe will noch mehr. Eine eigene Druckmaschine soll her. Damit könnte das Heft bald billiger produziert werden. Geld ist knapp – deutsche Anzeigenkunden halten sich nämlich stark zurück. Immerhin: „Benetton“ hat da keine Vorurteile und plaziert seine bunten Annoncen im Black Magazine.

Seit ein paar Monaten verbreitet Wiafe sein schwarzes Selbstbewußtsein auch im Fernsehen. In der „Invisible Talk Show“ des Offenen Kanals Bremen spricht er mit schwarzen Miss-Wahl-Kandidatinnen, Bodyguards und Musikern über deren Erfahrungen in Deutschland. Der Bürgerfunk kommt da wie gerufen: „In 30 Städten gibt es Offene Kanäle“ – ein Netz, wie geschaffen, um mehr Verbindungen unter denen zu knüpfen, die im Alltag unsichtbar scheinen. tw

Bezugsadresse: Invisible Magazine, Dammweg 15, 28211 Bremen