Der Anwalt, dem die Jugend vertraut

■ „Gefährlicher Freund“ – erste Folge der Sat.1-Serie „Max Wolkenstein“, 20 Uhr

Rechtsanwälte werden in der Unterhaltungsbranche gerne als medien-, karriere- und geldgeil präsentiert. Oder aber sie sind die aufrechten Kämpfer, die völlig selbstlos für die Sache des kleinen Mannes gegen die geballte Staats- oder Wirtschaftsmacht antreten. Wenn auch der erste Typ in der freien Wildbahn weitaus öfter anzutreffen ist, so erfreut sich doch die softe Version beim Konsumenten leichter Unterhaltung viel größerer Beliebtheit.

John Grisham beispielsweise produziert diesen Typ am Fließband und bringt ihn regelmäßig auf Bestsellerlisten und Kinoleinwände. Max Wolkenstein, der neue Serienheld von Sat.1, ist eine Weiterentwicklung: Er ist ultrasoft! Anstatt einer Biographie gibt's einen Titelsong von Heinz Rudolf Kunze: „Ich steh dir bei, was es auch sei, du bist nicht vogelfrei“, reimt und grölt der Deutschrocker äußerst tiefsinnig.

Nachdem man den Vorspann nicht überhören konnte, kommen die Klischees: Nacht in Berlin. Zwei Crash-Kids knacken Autos. Hintergrundmusik: Metallica. Natürlich ist der eine Jungkriminelle eigentlich ein netter Kerl und der andere ein kleines Monster (weil die Mutter säuft und der Vater sich nicht um ihn kümmert). Der Anwalt wird vor-, und es wird sofort klargestellt: Dieser Max Wolkenstein ist kein Mad Max. Im Gegenteil, er ist ein cleveres Kuscheltier in einer schicken Dachgeschoßwohnung, in der er gerade fast seine eigene Scheidung verpennt. Hintergrundmusik: REM. Doch dann steht er auf und tritt gegen die Ungerechtigkeit der Welt an. Musik: Kunzes „Ich steh dir bei...“ (...immer und überall – klarer Fall“). Und wo selbst ein Liebling Kreuzberg noch hinter der Kohle her war, interessiert sich dieser Anwalt nicht die Bohne für den schnöden Mammon.

Im Pilotfilm zur 17teiligen Sat.1- Serie schenkt ihm sein Ex-Schwiegervater mal eben eine Kanzlei, und Fälle nimmt er nicht vom stinkreichen Klienten, sondern vom Streetworker an. Trotzdem schlabbert er keinen Wackelpudding, sondern genießt teuren Rotwein. Vor Gericht ist er selbstverständlich brillant, kommt der Wahrheit auf die Spur, verhilft der Gerechtigkeit zum Sieg usw. usf.

Helmut Zierl, der gute Mensch der Vorabendserie, gibt sich leidlich Mühe, dieser flachen Figur ohne Ecken und Kanten etwas Leben einzuhauchen. Auch die anderen Rollen sind durchaus interessant besetzt: Charles „Brocki“ Brauer als böser Jugendstaatsanwalt, Zierls Frau Dolly Dollar als Max Wolkensteins Sekretärin oder Ursula Karven als Richterin (in die sich der Anwalt der Jugend in den nächsten Folgen sehr heftig verlieben wird).

Da es aber an Spannung, guten Dialogen und vor allem an Logik mangelt, kommen zwei Nebendarsteller massiv zum Einsatz, die auch John Grisham immer wieder gern bemüht. Sie heißen Zufall und Glück. Und wenn diese beiden zu sehr in den Vordergrund treten, killen sie jede Geschichte. So wird auch leider aus Max Wolkenstein ein Wolkenkuckucksheim. Karl Wegmann