EU-Kommission schränkt Heringsfang stark ein

■ Auch Begrenzung des Raubbaus in der Nordsee durch die Gammelfischerei

Brüssel (taz) – Schlechte Zeiten für Matjes-Gourmets, gute Zeiten für die verbliebenen Heringe. Die Europäische Kommission hat gestern auf die alarmierenden Meldungen der Meeresbiologen reagiert und die Fangquoten für Heringe in der Nordsee auf jährlich 156.000 Tonnen halbiert. Auch im Skagerrak und im Kattegat, wo die Nord- in die Ostsee übergeht, dürfen statt der vorgesehenen 120.000 Tonnen in diesem Jahr nur 90.000 Tonnen gefischt werden. Für die meisten Fischer dürfte die Saison damit zu Ende sein. Ohne die drastischen Einschnitte durch Brüssel würden sich die Fischer weiterhin ihrer eigenen Lebensgrundlagen berauben. Vor allem durch die Gammelfischerei – die EU-Kommission spricht vornehm von Industriefischerei – wurden die Bestände so weit dezimiert, daß die Fische mit dem Fortpflanzen nicht mehr nachkommen. Rund die Hälfte aller Nordseefische gehen den Gammelfischern in die engmaschigen Netze und landen dann ausschließlich in den Fabriken für Fischmehl und Fischöl. In ihren Netzen verfangen sich nicht nur Kleinfische, sondern auch junge Heringe, die eigentlich nur mit großmaschigen Netzen gefischt werden dürfen.

Greenpeace fordert seit Monaten, die Gammelfischerei einzuschränken und Sperrzonen einzurichten, in denen sich die Bestände erholen können. Doch die Anrainerstaaten der Nordsee sperren sich dagegen, aus Rücksicht auf ihre Fischer, vielleicht auch aus Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen. Mit welcher Einstellung die Gammelfischer zu Werke gehen, hat Greenpeace in den letzten Wochen zu spüren bekommen. Greenpeace hat seit Mitte Mai aus Protest gegen den Raubbau vor allem dänische Gammelfischer mit schwimmenden Sperren behindert. Ihr Schiff „Sirius“ wurde dabei mehrmals massiv angegriffen.

Die EU-Kommission hat nun vorsichtig an der Notbremse gezogen und den Beifang von Heringen bei der Gammelfischerei in der Nordsee auf 44.000 Tonnen und im Skagerrak und Kattegat auf 99.000 Tonnen begrenzt. Wenn mehr als diese Menge an Heringen angelandet werden, muß die Gammelfischerei eingestellt werden. Das Problem dabei ist, daß die Kontrolle bei den nationalen Behörden liegt und die EU-Kommission nur die Kontrolleure kontrollieren darf. Wenn die Heringsbestände weiter zurückgehen, kann die Kommission wie schon 1977 ein vollständiges Fangverbot verhängen. Damals war der Heringsfang in der Nordsee vier Jahre lang verboten. Die Erinnerung an diese Zeit hat wesentlich dazu beigetragen, daß Regierungen wie auch die Fischereiverbände diesmal signalisiert haben, sich an die Einschränkungen der EU-Kommission zu halten. Alois Berger