USA diskriminiert

Ultimatum gegen Bonn verlängert: US-Firmen wollen gegen Vergabe öffentlicher Aufträge klagen  ■ Von Ulrike Fokken

Die Kamingespräche von US- Präsident Bill Clinton und Kanzler Helmut Kohl auf dem Weltwirtschaftsgipfel waren scheinbar erfolgreich. Zwei Tage nach Ende des G-7-Treffens in Lyon haben am Montag abend die USA ihre angedrohten Handelssanktionen gegen Deutschland verlängert. Bis zum 30. September hat die Bundesregierung nun Zeit, an einem Gesetz über den Rechtsschutz bei Vergabe öffentlicher Aufträge zu arbeiten. Am 30. April hatte die US-Administration dafür bereits ein Ultimatum bis 1. Juli gestellt.

Den Streit entfacht hatte der US-Konzern General Electric Corporation (GE). Er wollte 1993 zwei Dampfturbinen an die Vereinigten Energiewerke AG (Veag) verkaufen, die in Lippendorf bei Leipzig ein Braunkohlekraftwerk aufrüsteten. Die Veag-Manager hatten allerdings wie üblich nur mit dem Weltmarktführer für Turbinen, Asea Brown Boveri (ABB), dem Hoflieferanten Siemens und dem MAN-Konzern verhandelt. Den 400-Millionen-Mark-Auftrag vergaben sie an ABB. Die seien eben „im Preis um Längen günstiger“, sagte Veag-Geschäftsführer Gerhard Bräunlein damals, außerdem seien Siemens und ABB einfach besser als GE.

Ungerecht und politisch nicht korrekt, riefen die GE-Vorständler über den Atlantik und klagten vor einem Berliner Gericht. Doch der Weg durch zwei Instanzen half ihnen nichts: Die deutschen Richter sahen keine Diskriminierung der Amerikaner. Bereits 1992 hatte die Wettbewerbskommission der Europäischen Union die Deutschen zu mehr Chancengleichheit und Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gemahnt.

„Ein Grundsatzstreit“, sagte gestern Timm Meyer, Abteilungsleiter für öffentliches Auftragswesen beim Bund der deutschen Industrie (BDI). Die EU-Kommission fordert „subjektive“ Klagerechte für sich benachteiligt fühlende Bieter. Die sollen nach Brüsseler Willen Rechtsschutz genießen, solange ein Verfahren läuft. „Das ist ein Rechtsschutz, der Aufträge verhindert“, sagte Meyer. Zwei bis drei Jahre gingen ins Land, ehe Geber ihre Aufträge loswerden könnten. „Daran kann kein Interesse bestehen“, sagte Meyer, der eventuellen US-Sanktionen gelassen entegegensieht: „Die Auswirkungen auf die deutsche Industrie werden nicht allzugroß sein.“

Weniger gelassen schaut der BDI-Vertreter nach Bonn. Dort sei „keine einheitliche Meinungsbildung“ erkennbar. Je nach Klientelinteresse plädieren Volksvertreter und Ministeriumsmitarbeiter für die völlige Liberalisierung oder dagegen. Nach dem ersten US-Ultimatum war die Regierung Kohl nicht aktiv geworden und hatte keinen Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht. Lediglich ein Entwurf zu einem Entwurf haben Wirtschaftsminister Günter Rexrodt und Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig erarbeitet.

„Die Bundesregierung ist unverändert der Auffassung, daß der Vorwurf der US-Regierung unzutreffend ist“, hieß es noch gestern aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Die EU-Kommission habe allerdings ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Brüssel verhandelt für Deutschland mit den USA und sieht ebenfalls, daß hierzulande Bieter zu wenige Rechte haben.

Immerhin versprach das Wirtschaftsministerium gestern, nun „die Absicht zu haben, das deutsche Vergaberecht zu ändern“.