piwik no script img

Feminismus ist megaout

Nach 15 Jahren wird die Hamburger Frauenwoche zu Grabe getragen. Messen wie die „Top“ sind längst gefragter als feministische Bildungsarbeit  ■ Von Bärbel Sonntag

Es ist ein leises Sterben. Sang- und klanglos sind in den letzten Jahren die Frauenwochen in den großen Städten dieser Republik eingegangen. Nun ist als letzte Überlebende die Hamburger Frauenwoche nach 15 Jahren mit einem Leichenschmaus in kleinem Kreise zu Grabe getragen worden. Damals, in den Achtzigern, waren die feministischen Wochen noch Signale für den Aufbruch in eine bessere Zukunft. Doch seit Beginn der Neunziger siechen die Veranstaltungen mit frauenpolitischem Anspruch dahin. Die Diagnose: langsame Auszehrung.

Zu ihren besten Zeiten war die Hamburger Frauenwoche, eine der ältesten ihrer Art, ein großer feministischer Jahrmarkt, wo es neben Frauenbüchern Schmuck und buntbemalte Seidentücher zu kaufen gab, wo alles geboten wurde, was das Frauenherz begehrte, egal, ob den sadomasochistischen Lesbenfilm, die Debatte zu sexuellem Mißbrauch oder die Reise ins Ich. Der Hauptwiderspruch, so schien es damals, bestand zwischen Lesben und Heteras. Heftig wurde darüber diskutiert, ob das Thema „Anpassung oder Widerstand“ die Hausfrau in Norderstedt überhaupt anspreche.

Als der Hamburger Senat vor vier Jahren seine Zuwendungen zu der bildungspolitischen Großveranstaltung von einst 80.000 auf schließlich 30.000 Mark zu kürzen begann, verordneten die neuen Organisatorinnen der Frauenwoche ein „Leanprogramm“ und mußten sich dafür böse Kritik aus der Bewegung gefallen lassen. Wieder einmal leisteten Referentinnen und Mitarbeiterinnen unbezahlte Frauenarbeit. „Unter diesen Bedingungen war es natürlich schwer, eine inhaltliche Linie beizubehalten“, sagt Heike Peper, die die Frauenwoche in den letzten vier Jahren mitorganisiert hat. Doch viel enttäuschender für sie und ihre Mitstreiterinnen war die fehlende Resonanz. „Es kamen wenige Impulse. Wir waren am Schluß schon froh, wenn die Presse überhaupt über die Veranstaltungen berichtete.“

Und während die Medien von Spiegel bis Woche den sexy Feminismus der Girlies und Babes feierten, wurden die Mottos der Hamburger Frauenwochen immer resignativer. „Die Antwort ist Feminismus – und wie war noch mal die Frage?“, mit diesem Leitmotiv verabschiedete sich die Hamburger Frauenwoche. Treffender läßt sich die Krise der Bewegung kaum beschreiben. Mit leichter Bitterkeit merken die Organisatorinnen an, daß Frauenfeten und -bälle immer besser besucht seien, während „die positive Resonanz auf unsere Arbeit eher flau“ ausfiel: „Vielleicht haben Frauen heute so massive Alltagsprobleme, daß sie den Besuch einer Bildungsveranstaltung nur als zusätzliche Belastung erleben?“

Das Auseinanderfallen der Gesellschaft wiederholt sich bei den Frauen, beobachtet Heike Peper. Auf der einen Seite stünden die Frauen, die im Beruf Karriere machen und auch als Zielgruppe für die Werbung interessanter würden. Auf der anderen Seite fänden alleinstehende Mütter und erwerbslose Frauen mit ihren Problemen kaum noch Beachtung. Zwischen beiden Gruppen gebe es immer weniger Berührungspunkte, und vielleicht sei das Desinteresse an der Frauenwoche auch ein Zeichen dafür, daß ein gemeinsamer Ort oder Treffpunkt nicht mehr gebraucht werde.

„Für Frauen wird es immer wichtiger, im Beruf fit zu sein“, meint Mitorganisatorin Brigitte Salzmann. „Viele haben einfach Angst, auf dem Arbeitsmarkt nicht bestehen zu können.“ Am meisten Interesse fanden während der letzten Frauenwoche denn auch die Veranstaltungen, von denen sich die Teilnehmerinnen eine Weiterqualifizierung erwarteten – wie zum Beispiel die Einführung ins Internet, die die Hamburger Frauenmailbox „fenestra“ anbot. Brigitte Salzmann findet es bezeichnend, daß von den 30 Frauen, die sich erklären ließen, wie sie die Netze nutzen können, nur drei blieben, um anschließend über die gesellschaftlichen Folgen dieser neuen Technologie zu diskutieren.

Während die Frauenwochen verschwinden, boomen die Frauenmessen und Veranstaltungen, die Frauen fürs Management fit machen. Die alle zwei Jahre stattfindende „top“ in Düsseldorf ist inzwischen etabliert und findet auch überregional immer mehr Beachtung. In Hamburg ist für Ende dieses Jahres ein Frauennetzwerktreffen geplant, das der Verein für Frauen im Management organisiert. Der Gleichstellungsstelle ist diese eintägige Veranstaltung immerhin so wichtig, daß sie sie mit 10.000 Mark unterstützen will.

Die Hamburger Frauenwöchnerinnen aber, die kein Managementtraining anbieten wollten, suchten in der Frauenszene händeringend nach Nachfolgerinnen, denen sie ihre kleine Erbschaft von 30.000 Mark öffentlicher Förderung vermachen könnten. Eine Gruppe „junger Feministinnen“, die der Müttergeneration beweisen wollte, daß Feminismus nicht verbiestert sein muß, zeigte zunächst Interesse, stellte ihre Treffen jedoch bald wieder ein. Und Hamburger Frauenprojekte, selbst die, die feministische Bildungsarbeit betreiben, winkten wegen Arbeitsüberlastung dankend ab. So kam es, daß die Hamburger Frauen dem Senat in Zeiten leerer Kassen 30.000 Mark schenkten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen