Liberale Wehrpflichtpläne

Bei der FDP soll die Basis über die Zukunft der Bundeswehr entscheiden. In Bonn wird unterdessen der Streit über den Verteidigungsetat fortgesetzt  ■ Aus Berlin Wolfgang Gast

Die Parteibasis soll es richten: Nach der schleswig- holsteinischen FDP hat sich jetzt auch der nordrhein-westfälische Landesverband der Liberalen für eine Mitgliederbefragung zur künftigen Wehrstruktur ausgesprochen. Mit großer Mehrheit faßte der FDP- Landesvorstand am Montag abend in Düsseldorf einen entsprechenden Beschluß. Nach den Worten eines Sprechers kämen drei Möglichkeiten in Frage: Wehrpflicht wie bisher, Berufsarmee oder ein Dienstpflichtjahr. Der Vorsitzende des mitgliederstärksten FDP-Verbandes, Jürgen Möllemann, sprach sich dafür aus, die Wehrpflicht auszusetzen und statt dessen eine Berufsarmee aufzustellen. Die internationale Lage, so Möllemannm, rechtfertige keine Wehrpflicht mehr.

Die Debatte um die Wehrpflicht hatte innerhalb der FDP unter anderem der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende, Jürgen Koppelin, bereits Ende Mai losgetreten. Koppelin forderte, die Wehrpflicht abzuschaffen. Er wird dabei vom Verteidigungsexperten der Liberalen, Olaf Feldmann, unterstützt. Der Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt und Außenminister Klaus Kinkel haben sich dagegen für eine Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen.

Auslöser für die gegenwärtige Diskussion ist einerseits die überraschende Entscheidung der französichen Regierung, die Wehrpflicht im Nachbarland mittelfristig abzuschaffen. Andererseits verbirgt sich hinter der Debatte ein erbitterter Streit um die Höhe des Bonner Verteidigungshaushalts. Dieser soll nach dem Willen von Finanzminister Theo Waigel noch einmal gekürzt werden.

Am Montag abend hieß es, Rühe und Waigel hätten sich jetzt auf einen Etat von rund 47 Milliarden Mark für 1997 verständigt. Rühe hatte zuvor mehrfach moniert, bei einer weiteren Kürzung des Haushaltes und dem damit notwendigen weiteren Personalabbau sei die Wehrpflicht nicht zu halten. Die Bundeswehr mußte bereits in diesem Jahr ihren Etat um etwa eine Milliarde auf 47,1 Milliarden Mark kürzen. Die in Aussicht gestellte Einigung werde zustandekommen, wenn Waigel Rühe zusagt, in der mittelfristigen Finanzplanung „wieder nach oben zu gehen“, erklärten Bonner Verteidungsexperten. Nach einem Bericht der Agentur Reuter hat das Kanzleramt die Meldungen allerdings dementiert. Der Kanzler soll Rühe keine Zusage über eine Untergrenze des Verteidigungsetats gemacht haben.

Für FDP-Chef Gerhardt ist der Bestand der Bundeswehr und die Wehrpflicht durch die anstehenden Einsparungen nicht gefährdet. Nach den Beratungen des Präsidiums erklärte Gerhardt, im Haushalt der Hardthöhe gebe es noch weitere Spielräume. In der mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 1998 und 1999 waren für die Bundeswehr je 49 Milliarden und für 2000 rund 50 Milliarden Mark eingestellt worden. 1991 lag der Wehretat bei knapp 54 Milliarden.

Zur Diskussion in der FDP um Wehrpflicht und Berufsarmee bekräftigte Gerhardt, daß an der allgemeinen Wehrpflicht festgehalten werden sollte. Weiter betonte er aber, er sei nicht gegen eine Befragung der Parteibasis. Das Szenario erinnert an die FDP-internen Auseinandersetzungen um den sogenannten Großen Lauschangriff. Dabei hatten mehrere Landesverbände über den Weg einer Mitgliederbefragung erstmals eine Korrektur der offiziellen Parteilinie in der Frage der elektronischen Überwachung von Privatwohnungen erzwungen. Der FDP-Bundesvorstand beschloß inzwischen, sich nach der Sommerpause mit den Themen Wehrdienst und Wehrgerechtigkeit zu beschäftigen.