Mit Bleistiften in Herzen graben

■ Blutender Genre-Mix: In From Dusk Till Dawn von Rodriguez/Tarantino knallt die Leinwand durch

From Dusk Till Dawn beginnt wie Kalifornia oder Wild at Heart: in einem staubigen Liquor Store an irgendeiner Interstate irgendwo im Süden der USA, wo man näher an seinen Emotionen lebt als an der Ostküste. Daß der Texas Ranger, der hier nach den beiden Gecko-Brüdern fahndet, den größten Teil seines Lebens hinter sich hat, erkennt man an den Schweißperlen auf seiner Stirn. Irgendetwas stinkt hier. Als der Ranger aufs Klo geht, tauchen zwischen den Keksregalen Set (George Clooney) und Richard Gecko (Quentin Tarantino) auf. Natürlich tragen sie prächtige Knarren und natürlich fallen nachgerade die Flaschen vom Regal, die Menschenkörper sinken darnieder. Und alles weil Richard etwas falsch verstanden hat.

Wie gesagt, From Dusk Till Dawn beginnt wie manch anderer Film, der sich auf die Suche nach dem Herz der Finsternis begibt. Nur noch ein wenig cooler, wenn die beiden Killer den Liquor Store entflammen und ihr Schlendern wegen der fliegenden Dachschindeln kaum beschleunigen. Von Anfang an bricht From Dusk Till Dawn mit den Gesetzmäßigkeiten der Realität, beharrt auf seiner Inszenierung. Wenn die Geckos später Geiseln im Kofferraum mitführen, macht der ehemalige Cartoonist Robert Rodriguez für einen Moment das Blech wie in einem Comic durchsichtig. Von ihrem Ami-Schlitten werden die Filmtitel von der Straße gewischt und demonstrieren erneut Distanz zur Filmhandlung.

Nachdem Robert Rodriguez bei der Überführung seines Underground-Hits El Mariachi von Mexiko nach Hollywood bereits seinen Hauptdarsteller Antonio Banderas zur Karikatur überzog, nahm er sich dessen Latin-Lover-Image in seiner Episode zu Four Rooms noch einmal ordentlich zur Brust. So verfährt er auch bei seiner ersten Zusammenarbeit mit Quentin Tarantino in From Dusk Till Dawn. Bei all dieser ausgestellten Inszenierung nimmt es kaum Wunder, daß die Kritik nicht aus der Anti-Gewalt-Ecke kam, sondern von jenen, die – trotz der Verbeugungen vor Splatter-Filmern wie Tom Savini, der in einer Nebenrolle als „Sex Machine“ auftritt – einen weiteren Ausverkauf des Undergrounds beklagen.

Denn das Drehbuch von Tarantino, der ja weniger für seinen Pulp als für seinen virtuosen Einsatz desselben verehrt wird, ging Rodriguez nicht weit genug. Sobald die Geckos das „Titty Twister“, eine Spelunke jenseits der mexikanischen Grenze, betreten, knallt From Dusk Till Dawn völlig durch. Als ob nicht mehr nur die Figuren verrückt werden, sondern das Filmmaterial selbst. Der Road Movie wird an dem dramaturgisch völlig unmotivierten Scharnier zum kunterbunten Splatter.

Die Hausband im „Titty Twister“ spielt auf gehäuteten Körpern Mariachi, während sich die Körperteile eigenmächtig aus dem Staub machen. Wenn am Ende das Blut in Kübeln über die Kamera spritzt, reibt man sich verwundert und durchgeschüttelt von zwei Filmen die Augen. Aber man erinnert sich auch daran, daß mancher Zombie mit einem Bleistift, dem Utensil des Drehbuchautors, das Herz ausgestochen wurde.

Volker Marquardt

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