piwik no script img

Hier wache ich!

■ Jetzt wird alles gut: Polizeiwache 11 zieht von muffigen Kirchenallee-Kabuffs in luftige Steindamm-Büros um Von Silke Mertins

Immer der Nase nach: Dort, wo sich in den neuen fenstergrifflosen Räumen der Polizeiwache 11 die Körpergerüche dichtgedrängter Gratulanten zu einer atemberaubenden Dunstglocke zusammenballten, wurde gestern ein langersehnter Umzug gefeiert. Endlich, endlich ist der Weg frei für die Wache mit dem menschlichen Antlitz. Denn die 150 Beamten des berühmt-berüchtigten Polizeireviers 11, die sich bisher in den engen Kabuffs der Kirchenallee herumdrücken mußten und aufgrund räumlicher Streßfaktoren schon mal den einen oder anderen ausländischen Mitbürger etwas zu hart angefaßt haben sollen, können aufatmen. Sie müssen nicht mehr zuschlagen, weil sie unter der Enge leiden. Statt 1500 stehen den Freunden und Helfern jetzt 3000 Quadratmeter am Steindamm 82 zur Verfügung.

Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) strahlte dem symbolischen Schlüssel entgegen, der ihm vom Vermieter, der Iduna-Versicherungsgruppe, nach einem kleinen Iduna-Loblied überreicht wurde. Jetzt wird alles gut, versicherte der Polizei-Senator den Beamten und der Öffentlichkeit. Könnte in so schönen, großen und modernen Büros – kurz: im streßfreien Raum – Mißhandlung stattfinden? „Froh und dankbar“ sei er, daß die Ordnungshüter St. Georgs, die „besonderen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt sind“, nun entlastet seien und der „Selbstbehauptungswillen des freiheitlichen Rechtsstaates“ sich uneingeschränkt entfalten kann.

„Hier haben wir alles, was sich eine Dienststelle nur wünschen kann“, zeigte sich Revierführer Thorsten Seeland gebührend dankbar für den „beispiellosen“ Einsatz des Senators. Nicht nur für neue Räume, sondern auch für ein verschärftes Polizeigesetz zur leichteren Vertreibung der Drogenszene aus St. Georg hatte der sich eingesetzt.

Doch kein Abschied ohne Tränen: „Mit dem Umzug geht ein Stück Stadtteilgeschichte und Polizeigeschichte verloren“, faßt Seeland seinen Kummer zusammen. Und: Der Steindamm habe einen kleinen „Standortnachteil“. Doch den kann Seeland verschmerzen, sobald er an sein großes und neues Büro denkt, mit direktem Blick auf das Gebäude der Scientology-Sekte gegenüber.

Dann endlich gab's die versprochenen Häppchen, Sekt und Selters, gespendet von Iduna und serviert von dankbaren Polizisten in Uniform. Derart gestärkt ließ sich Wrocklage nun vom Wache-11-Chef Seeland herumführen. Richtig schön die großen neuen Gemeinschaftsräume. Ja, tatsächlich etwas verwirrend die vielen Gänge und Treppen. Nein, wie modern und funktional, und doch so bürgernah und freundlich, der Wachraum. Und dann die Zellen! Sehr hübsch! Hoffentlich wissen die Gefangenen auch zu würdigen, daß Freiheitsentzug jetzt auf so hohem Niveau stattfindet.

Überhaupt wird mit neuen Räumen und fast neuem Revierführer jetzt ein ganz neuer Wind der Transparenz und Inneren Führung und Menschlichkeit durch die Wache wehen. „Mir sind alle herzlich willkommen“, öffnete Seeland seine Arme, „sogar die taz.“ Na, denn: Harry, hol schon mal den Wagen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen