Brisantes fürs Museum

■ Eine 500 Pfund schwere Fliegerbombe zwischen Heiligenfiguren und Stifterbildern: Das Landesmuseum stockt seine Exponate auf

Da staunt der Heiland: Nun muß er auch noch in einem Raum mit einer Bombe logieren. Gleich neben einer Schnitzfigur des Schmerzensmannes landete die Bombe gestern im provisorischen Magazin des Bremer Landesmuseums. „Natürlich entschärft“, wie die Museumsleute sich zu versichern beeilten . Von seiner bedrohlichen Ausstrahlung hat das schwarz-gelb gescheckte Getüm nichts verloren. Die britische Fliegerbombe sollte 1944 den Bremer Ölhafen treffen. Als Blindgänger wird sie nun in die landesgeschichtliche Ausstellung eingehen: Die Neuerwerbung, die gestern präsentiert wurde, soll als Anschauungsobjekt für die Abteilung über den Zweiteen Weltkrieg dienen, wenn die neue Dauerausstellung mal fertig ist.

Für die Museumsleute ist das tödliche Geschoß ein Glücksfall. Objekte aus dem Zweiten Weltkrieg sind in Bremen nämlich Mangelware. Bisher war dieser Zeitabschnitt im Landesmuseum überhaupt nicht präsent; künftig wird es immerhin eine Handvoll Schaustücke geben. Eine ausgediente Stahltür eines Luftschutzkellers, ein paar Plakate, Luftaufnahmen – und eben die Bombe.

Die Begeisterung über das neue Exponat können die Experten der Bremer Polizei hingegen nicht ganz teilen. „Das ist Standard“, sagt Andreas Rippert vom Kampfmittelräumdienst trocken. 500 britische Pfund Gewicht, „ach, da gibt es noch ganz andere Kaliber, 2.000, 8.000, 12.000 Pfund schwere Bomben, da braucht man manchmal einen ganzen Lastwagen, um eine einzige Bombe abzutransportieren.“ Für das Ausstellungsstück reichte ein kleiner Handwagen, mit dem Rippert das Bömbchen ins Museum rollte.

„Standard“, das heißt auch: Diese Sorte Bombe bedrohte die Bremer Bevölkerung während der Luftangriffe Tag für Tag. 25.000 Tonnen Bomben fielen bei den 173 Angriffen auf die Stadt; über 4000 Menschen kamen ums Leben. Doch die Bomben sind nicht nur Geschichte – eben haben Rippert und seine Kollegen vom Kampfmittelräumdienst wieder 24 Stück ausgebuddelt und entschärft. Allesamt im Hafen, auf dem Mobil-Oil-Gelände – ein wichtiges Ziel für die britischen Bomber. Und die Bombensuche geht weiter: „Wir haben ja erst einen Teil des Geländes untersucht“, sagt Rippert; „das geht ja immer nur dann voran, wenn auch Geld dafür da ist.“ Ansonsten bleiben die Bomben halt im Boden.

Welch brisante Mischung das Landesmuseum künftig präsentieren wird, ist jetzt schon in Ansätzen erkennbar. „1200 Jahre Stadtgeschichte auf 2000 Quadratmetern“, sagt Direktor Jörn Christiansen. Da kommt eine Menge zusammen. Im provisorischen Magazin stapeln sich neben der Bombe Modelle des Bremer Doms aus diversen Jahrhunderten, Ölschinken mit Porträts des Bremer Geldadels, der Bug des restaurierten „Beck's“-Schiffs – und eben die verwitterte Christusfigur. Bis Anfang 1998 muß das ganze, herrliche Durcheinander wieder sortiert sein. Dann will das Museum, nach knapp zweijähriger Sanierung, mit der neuen Ausstellung wiedereröffnen. Und dann wird auch die Bombe ihren historischen Platz gefunden haben.

Daß die Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg solch musealen Wert bekommen, das, sagt Rippert, ist freilich die Ausnahme. Normalerweise freuen sich ganz andere Institutionen über die Bombenfunde: „Das ist bester Stahl, da reibt sich jeder Schrotthändler die Hände.“ tw

Rund 40 Neuerwerbungen des Landesmuseums sind ab 22.9. in einer Ausstellung zu sehen