Der Mieterfeind vom Mieterverein

■ Chef des Bremer Mietervereins ist gleichzeitig Chef der vereinseigenen Baugenossenschaft

Der Bremer Mieter-Bauverein ist eigentlich eine tolle Sache. Wer Mitglied dieser Baugenossenschaft ist, kann billigen Wohnraum ergattern. Nur: Der Bauverein ist ein Ableger des Bremer Mietervereins, der eigentlich Mieterinteressen gegen Vermieter durchsetzen soll. Und, um die Verwirrung komplett zu machen: Wer beim Bauverein wohnen will, muß Mitglied im Bremer Mieterverein sein. Das kann Klinsch geben. Die Genossenschaftlerin Erika Vockensohn weiß davon ein Lied zu singen. Sie liegt als Mieterin mit Baugenossenschafts-Vorstandschef Helmut Engelmann im Streit. Der ist, man ahnt es, auch noch der Geschäftsführer des Bremer Mietervereins und damit eigentlich ihr Rechtsbeistand. Ein personelles Verflechtungsspiel der absurdesten Art startet in Bremen seinen ersten Akt. Ende ungewiß.

Das mietrechtliche Drama begann mit Erika Vockensohns Kündigung ihrer Wohnung: Glücklich aber nicht immer zufrieden hat sie bis dahin 36 Jahre in ihrer 58 qm -Wohnung gelebt und brav ihre Beiträge an den Mieterverein und die Genossenschaft gezahlt. An die 1.800 Mark an Genossenschaftsbeitrag hätte sie berappen müssen in all den Jahren. Ganz zu schweigen von den über 13.000 Mark, die sie in die Renovierung ihrer Wohnung steckte: ein neues Badezimmer und neue Auslegeware mußten her. Denn Badewanne, Waschbecken und Toilette waren inzwischen hinüber, die alten PVC-Platten vollends zerbröselt. „Eigentlich hätte das die Genossenschaft machen müssen. Aber die brauchen ja für ein Haustürschloß schon über zwei Jahre“, erregt sie sich.

Vor einem Jahr habe sie die Wohnung außerdem von der Decke bis zur Fußbodenleiste renoviert. Überglücklich müßte jetzt eigentlich Vermieter und Vorstandschef Engelmann sein, aus der 60er Jahre-Bude wurde ein schickes Domizil. Doch Engelmann sei alles andere als glücklich, sondern stinksauer: „Der will mit mir kein Wort mehr reden“, klagt die Rentnerin. Denn Vockensohn habe sich nach der Kündigung an den Mietvertrag von 1960 zu halten und der sieht Schönheitsreparaturen vor, außerdem müsse sie installierte Einrichtungen entfernen und den „ursprünglichen Zustand“ der Wohnung wiederherstellen. „Ich soll den alten PVC-Belag wieder herstellen, alle Elektroleitungen entfernen. Bis auf das neue Badezimmer, das soll nicht raus“, sagt die erboste Mieterin.

Engelmann nämlich hatte sich, so weiß sie, Zutritt zur Wohnung verschafft und mangelnde Renovierungsarbeiten festgestellt. Vockensohn denkt jetzt über Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch nach.

Von der Engelmannschen Postenverflechtung in die Ecke gedrängt, wußte sie nicht mehr, an wen sie sich wenden sollte. Jetzt fand sie beim seit drei Monaten in Bremen ansässigen Mieterschutzbund Hilfe. Gert Brauer, Mitarbeiter des Vereins, hält diese Geschichte für eine der „absurdesten“ seiner bisherigen Laufbahn. „Alles Unsinn“, sagt Manfred Jonas, Geschäftsführer des Landesverbandes der Mietervereine Bremen/Niedersachsen. Er könne sich nicht vorstellen, daß der Bremer Vorstandschef die ihm vorgeworfenen Dinge vollzieht: „Engelmann ist ein vorsichtiger Mensch.“ Die seltsame Konstruktion von Genossenschafts- und Vereinschef in einer Person sei keine Seltenheit. „Die Frau hätte mit ihren Problemen auch zu uns kommen können. So ein Klinsch kann durchaus mal drin sein“, wehrt Jonas ab. Ob selten oder nicht: Erika Vockensohn will sich damit nicht zufrieden geben. Sie läßt sich auf das Verflechtungs-Drama ein und will im Zweifelsfall klagen. Engelmann wird dann vielleicht wieder eine Doppelrolle spielen: als Angeklagter und Kläger zugleich. kat