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: Du bist Alleinherrscher

■ „Veni, vidi, vici“ mit liebevoll animierten Untertanen

Im Kern eine hochkomplexe Wirtschaftssimulation, mauserte sich dieses Programm mit über 200.000 verkauften Exemplaren zu einem der erfolgreichsten deutschen Computerspiele überhaupt. Es kommt halt auf die Verpackung an, die die scheinbar eher trockene Materie witzig aufbereitet. Das klingt schon unterhaltsamer: Du bist Alleinherrscher über eine 3D-Miniaturwelt, in der Tausende Pixeluntertanen ihren alltäglichen Beschäftigungen nachgehen.

Im Programm „Veni, vidi, vici“ geht es darum, eine florierende Siedlung aus dem zunächst unberührten Boden zu stampfen, diese stetig auszuweiten und gegen vom Computer gesteuerte Siedlervölker zu behaupten. Das Schöne ist, daß man das Resultat aller Eingriffe jederzeit am Bildschirm „live“ verfolgen kann. Nach kurzer Aufbauphase füllt sich das aus der Vogelperspektive zu übersehene Gelände mit einem Heer liebevoll animierter, ameisenkleiner Computermenschen, die Gebäude errichten, Güter von hier nach dort schleppen, sich als Holzfäller, Landwirt, Bauarbeiter oder Bäcker verdingen. Beruhigend zu sehen, daß in diesem Workaholics- Paradies en miniature zwischendurch auch schon mal ein Nickerchen gehalten oder Zeitung gelesen wird (wahrscheinlich die Wirtschaftswoche).

Ganze Produktionszusammenhänge lassen sich Schritt für Schritt nachvollziehen: Ein Bergmann fährt in seinen Stollen ein. Der ans Tageslicht beförderte Erzbrocken wird zum nächstgelegenen Hüttenwerk transportiert, dort zu Eisen geschmolzen, das dann einer Schmiede oder Schlosserei zur Weiterverarbeitung angeliefert wird. Die Wirtschaftskreisläufe können aber durch marginale Umstände empfindlich gestört werden. Gelangen beispielsweise – etwa infolge umständlich konzipierter oder notorisch überlasteter Transportwege – nicht genügend Nahrungsmittel zu den Bergleuten, treten diese in den Streik, weshalb kurze Zeit später auch die weiterverarbeitenden Handwerksbetriebe stillstehen.

Das „Siedler“-Remake präsentiert sich zunächst einmal optisch und akustisch rundumerneuert. Neben einer Anzahl vorgefertigter und recht abwechslungsreich designter Siedlungsszenarien wurde in das Spiel eine „richtige“ Geschichte integriert, in der man kapitelweise die Abenteuer der Besatzung eines schiffbrüchigen römischen Handelsschiffs nacherleben kann. Dieser Kampagnenmodus tut dem Spiel auch spannungsmäßig gut: Endlich hat man für die in Teil I zuweilen selbstzweckhafte Siedelei konkrete Zielvorgaben.

Eine Reihe neu hinzugekommener Berufe, die die Siedlerökonomie noch komplexer machen, dürfte für eingefleischte Siedlerianer schon Grund genug sein, sich das Programm zuzulegen. Neu und originell auch die Idee, Kolonien gründen zu können. Die dazu geeigneten Inseln müssen von den Miniaturseeleuten natürlich erst entdeckt werden, weshalb man zunächst Hafen und Hochseeschiffe bauen lassen sollte.

„Die Siedler II“ ist ein Spiel, das immer wieder dazu verführt, sich stundenlang in Einzelheiten zu vergucken – mit dem fatalen Ergebnis, daß sich die infrastrukturellen Probleme am anderen Ende des Sandkastenimperiums zur lokalen Wirtschaftskrise auszuweiten drohen! Nervenkitzel garantiert, wenn das ad hoc eingeleitete Sanierungsprogramm durch den überraschenden Einfall eines feindlichen Stoßtrupps „rauhbeiniger Wikinger“, „hitzköpfiger Nubier“ oder „technisch versierter Asiaten“ (Packungstext) torpediert wird.

Die vom Computer gesteuerten Gegnervölker verhalten sich übrigens weitaus gewitzter als noch im ersten Teil. Dank aufgebohrter Computerintelligenz läßt sich die digitale Konkurrenz, die jetzt auch untereinander verbündet sein kann, kaum noch von plumper Brechstangenoffensive beeindrucken. Trotz des militärisch-strategischen Aspekts ist „Die Siedler II“ aber ein eher friedliches Spiel, in dem man sich ums Brotbacken, Bierbrauen und Schweinezüchten kümmern darf. Ulrich Hölzer

„Die Siedler II – Veni, vidi, vici“. CD-ROM, ab 66 MHz mit 8 MB RAM, zirka 70 DM