Eine ganze Serie von Fehlstarts in Rom

■ Die neue italienische Regierung erweist sich als eine Meisterin im Stolpern

Rom (taz) – Daß die Kritiker seine Regierung schon in den ersten Wochen heftig zausen, hat sich Italiens seit Mitte Mai amtierender Ministerpräsident Romano Prodi weitgehend selbst zuzuschreiben. Er wolle vom ersten Tag an bewertet werden, hatte Prodi getönt, schließlich werde man „mit aufgekrempelten Ärmeln alle wichtigen Probleme des Landes angehen und beseitigen“.

Offenbar genügt das Ärmelaufkrempeln aber nicht. Neben verständlichen Eingewöhnungsdefekten und der erst im Laufe der Zeit möglichen Abgrenzung von Kompetenzen zeigen sich jedoch auch Tendenzen, die bereits auf langfristige Konflikte und unlösbare Auseinandersetzungen schließen lassen.

Begonnen hatte die Reihe der „Betriebsunfälle“ schon wenige Tage nach der Ernennung des Kabinetts. Da hatte der mit großem Pomp für ein Ministeramt gewonnene ehemalige Antikorruptionsermittler Antonio Di Pietro die uneingeschränkte Kompetenz für die Planung und Durchführung aller Arbeiten zu dem von der katholischen Kirche im Jahr 2000 zelebrierten Heiligen Jahr beansprucht – und dabei nicht nur einen frontalen Zusammenstoß mit dem grünen Oberbürgermeister Roms, Francesco Rutelli, sondern auch mit der engeren Kabinettsriege um Prodi selbst provoziert. Am Ende mußte Prodi „Rom 2000“ zur Chefsache erklären.

Dann hatte Sozialministerin Rosy Bindi Einsparungen bei den Pensionen angekündigt – ausgerechnet bei den Schwächsten der Schwachen. Prodi, gerade auf Staatsbesuch in Großbritannien, mußte eiligst dementieren. Zurückgekehrt, wollte er zusammen mit dem Nachtragshaushalt auch gleich die Eckwerte für den Haushalt 1997 veröffentlichen – und stieß mit seinen Konsolidierungsvorschlägen nicht nur auf heftige Kritik bei Arbeitgebern und in der Europäischen Kommission, sondern mußte vieles auch deshalb abändern, weil es widersprüchlich oder undurchführbar war.

Dazwischen machte sich Di Pietro erneut bemerkbar – er kündigte eine „Durchleuchtung aller Staatsbeamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes“ an, um Korrupte auszusieben – ein nobles, aber unmögliches Unterfangen bei gut drei Millionen Personen. So besserte er nach: Zuerst werde er in seinem eigenen Hause, dem Ministerium für öffentliche Arbeiten, mit der Röntgenaktion beginnen. Tags darauf war wieder alles anders – Prodis Juristen klärten Di Pietro auf, daß da einiges auch durch staatliche Gesetze vor Nachprüfung geschützt sei. Verärgert drohte Di Pietro mit Rücktritt, wenn man ihn nicht endlich arbeiten lasse.

Kaum begann Gras über die Sache zu wachsen, trat schon wieder Notfall ein: Die Spitze des staatlichen Elektrokonzerns ENEL, der demnächst privatisiert werden soll, mußte neu besetzt werden. Doch nur einer der beiden Ernannten fand breite Zustimmung: Franco Tato, Chef des Medienriesen Mondadori, galt den meisten Beobachtern geradezu als Traumbesetzung, ein gewiefter Administrator und zäher Verhandler, was ihm als neuem Generalbevollmächtigten zugute kommen wird. Doch als Präsident der ENEL soll Chicco Testa fungieren, zwar ein bewährter Grüner, der aber bisher als Verwaltungsexperte allenfalls in einigen städtischen Betrieben Erfahrung gesammelt hat. Mehr aber stört die Kritiker, daß der Mann nicht von dem dafür kompetenten Schatz- und Haushaltsminister Carlo Azeglio Ciampi durchgesetzt worden ist, sondern vom Chef der Linksdemokraten, Massimo D'Alema, der damit die alte Tradition der unverblümten Einflußnahme seitens des Parteiapparates auf ministerielle Entscheidungen wiederaufgenommen hat – eine Rückkehr zu den vermeintlich überwundenen Tagen der „Parteienherrschaft“.

In den nächsten Tagen wird sich die Stolperaktion wiederholen – bis zum 15. Juli nämlich muß laut geltendem Gesetz die neue Administration des staatlichen Rundfunks und Fernsehens RAI ernannt werden. Werner Raith