Tanker, verzweifelt gesucht

Seit zwei Wochen spült die Nordsee Ölklumpen an die Küste: Tatverdächtig ist ein Schiff, das für die Holborn-Raffinerie fährt  ■ Aus Hamburg Vera Stadie

Ganz Norddeutschland ist auf der fieberhaften Suche nach dem Verursacher der klebrigen Ölverschmutzung an der Küste. Nach dem verdächtigen Öltanker fahnden mittlerweile die Wasserschutzpolizei in Hamburg, Schleswig- Holstein und Niedersachsen, die Umweltbehörden der drei Küstenländer, das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) und die Staatsanwaltschaft Itzehoe. Bislang erfolglos.

Aber die Gerüchteküche brodelt. Analysen der Hamburger Umweltbehörde haben ergeben, daß das Öl vermutlich aus einer illegalen Tankwäsche eines Öltankers auf hoher See stammt. Die schwarzen klebrigen Klumpen, die zur Zeit von den Stränden der friesischen Inseln und den Vogelschutzinseln Scharhörn und Nigehörn in der Elbmündung geschaufelt werden, enthalten Wachs, und das ist typisch für verschmutzte Öltanks. An deren Wänden lagert sich das im Rohöl enthaltene Paraffinwachs ab. Legale Tankwaschungen an Land kosten mehrere hunderttausend Mark. Die Tankreinigung sei fällig, bevor ein Tanker zur Reparatur oder Wartung auf die Werft müsse, sagt Dirk- Uwe Spengler von der Hamburger Umweltbehörde.

Die Untersuchungen der Hamburger Umweltbehörde haben weiterhin ergeben, daß es sich um libysches Öl handelt, das in Deutschland nur die Konzerne Veba Öl und Holborn beziehen. Veba konnte sich von dem Verdacht reinwaschen, im fraglichen Zeitraum eine Tankerlieferung aus Libyen empfangen zu haben, sagte der Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt gestern gegenüber der taz.

Nicht so Holborn. Nach Auskunft von Vahrenholt ist am 10. Juni ein Tanker mit libyschem Öl für den Konzern in Wilhelmshaven angelaufen. „Dessen Route wird jetzt ermittelt“, sagt der Senator. Der Tanker könne es durchaus gewesen sein. Es müsse jetzt mit aller Härte ermittelt werden, fordert Vahrenholt, und man müsse Nachahmer abschrecken. „Das Entdeckungsrisiko muß so groß sein, daß die Kapitäne denken: Hier lass' ich das nicht ab, das kriegen sie raus.“

„Kriminelle Energie können sie nicht stoppen“, schätzt hingegen Spengler. „Das kann man nicht alles kontrollieren“. Er relativiert die jetzige Ölpest und droht mit Schlimmerem: „Das sind nur ein paar hundert Tonnen. Jeder große Containerfrachter hat 10.000 Liter Treibstoff und mehr an Bord.“ Jetzt müsse vor allem die Strafverfolgung ordentlich vorangetrieben werden.

Genau das hat Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann vor. Er will illegale Öleinleitungen in die Nordsee künftig mit Geldbußen von bis zu 100.000 Mark bestrafen. Bislang werden bei seltenen Verurteilungen die Heuern von Matrosen oder Maschinisten zugrunde gelegt. Nicht die Reeder werden zur Verantwortung gezogen, sondern Mannschaftsmitglieder. Umweltministerin Angela Merkel hat auch eine Idee: Die Internationale Schiffahrtsorganisation soll die Nordsee als Sondergebiet einstufen. Bislang darf ein Tanker etwa drei Kubikmeter Öl legal verklappen. Das wäre dann verboten. Bei der momentanen Ölverseuchung würde so eine Sonderregelung aber auch nichts nützen, sagt Hamburgs Umweltsenator Vahrenholz. Immerhin seien Öltanks gewaschen worden und kein betriebsbedingter Ölwechsel gemacht worden.

Die Hamburger Wasserschutzpolizei hat sich unterdessen in die Strafverfolgung eingeschaltet. Ihr Leiter, Bernd Spöntjes, ist nicht besonders optimistisch. Das Gebiet, wo der Tanker seine unerlaubte Waschung vollzogen hat, muß nach den ersten Berechnungen des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrologie die äußere Deutsche Bucht vor Helgoland sein. „Die Mönckebergstraße der Seeschifffahrt mit der weltweit höchsten Schiffahrtsdichte“, sagt Spöntjes.

Das BSH hat anhand seiner Modelle von Strömungen, Wind und Wetter den genauen Einleitungsort und -zeitraum berechnet. „Das muß ungefähr am 12. Juni 120 Seemeilen nordwestlich von Sylt gewesen sein“, sagt BSH-Wissenschaftler Klaus Huber. „Wir stellen jetzt die Schiffsbewegungen fest, um den Täter zu erwischen“, so Spöntjes. Die Menge des angeschwemmten Öls lege tatsächlich nahe, daß es sich um eine illegale Einleitung handelt, bestätigt der Beamte vorsichtig, und die chemischen Untersuchungen, daß es „nordafrikanisches Öl“ sei: „Das Ladungsgut eines Tankers.“ Der wird mittlerweile über alle Weltmeere verschwunden sein.