Hoffen auf die neue Spielbank

8.000 Stellen weniger, Schwimmbäder und Bürgerhäuser zu: In der Frankfurter Stadtregierung ringen Schwarze, Rote und Grüne um eine Konsolidierung des Haushalts  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Als „Dany le rouge“ und Joschka Fischer noch Schulter an Schulter auf der Straße gegen das Establishment kämpften, Pflastersteine so „trendy“ waren wie heute das Handy und der Oberbürgermeister (OB) „Dynamit-Rudi“ Arndt (SPD) hieß, galt Frankfurt am Main als unregierbar. Und das ist die Stadt bis heute geblieben. Ein Oberbürgermeister (Hauff) wurde von den eigenen Genossen gestürzt, danach stimmten vier „Schweine“ der SPD gegen die grüne Gesundheitsdezernentin Margarethe Nimsch. Und zuletzt setzte sich die Christdemokratin Petra Roth in einer Direktwahl gegen den glücklos agierenden Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) durch.

Die Wahl vom Sommer 1995 war ein Pyrrhussieg für Petra Roth. Denn in Magistrat und Stadtparlament verfügen SPD und Bündnisgrüne noch wenigstens bis zu den Kommunalwahlen im März nächsten Jahres über satte Mehrheiten gegen die Christdemokraten. Doch weil es keine Koalition in der Opposition zur Oberbürgermeisterin gibt, kämpft im Römer jede(r) gegen jede(n). Der von Roth propagierte Allparteienmagistrat, in dem sachbezogene Politik zum Wohle der Metropole praktiziert werden sollte, blieb eine Fiktion. Der „Allparteienmagistrat“ wurde zum Synonym für eine chaotische, von den BürgerInnen nicht mehr nachzuvollziehende Politik im Römer. Da wählten die kopflos gewordenen Sozialdemokraten drei Christdemokraten mit in den Magistrat, in der Hoffnung, daß die neue Oberbürgermeisterin die Dezernenten der SPD in Amt und Würden belassen würde.

Die Bündnisgrünen sprachen von der „großen Koalition“ im Römer – und opponieren seitdem gegen die Magistratspolitik. Doch die wird in wesentlichen Teilen von ihren eigenen Dezernenten im Magistrat mitgestaltet: von Kämmerer und Umweltdezernent Tom Koenigs und von Schuldezernentin Jutta Ebeling.

Dabei befindet sich die Stadt in der „schwersten finanziellen Krise nach dem Zweiten Weltkrieg“ (Roth). Keine andere Kommune in Deutschland ist so hoch verschuldet wie die Bankenmetropole am Main. Und in kaum einer anderen Stadt in Deutschland wurde der Umbruch vom Industriestandort zum Dienstleistungszentrum so schnell und so radikal vollzogen – mit all den negativen Folgen für die Stadtkasse. Das Gewerbesteueraufkommen schrumpfte in den letzten Jahren dramatisch. Im Gegenzug explodierten die Sozialausgaben und die Folgekosten für die Kulturtempel und Prestigebauten aus den fetten Zeiten. Ein „Stufenplan zur Konsolidierung der städtischen Finanzen“ müsse her, sagte Roth 1995 in ihrer Antrittsrede. Doch diesen Plan gibt es bis heute nicht. Deshalb wird eben planlos gespart – aber „eisern“ (Roth).

Nach monatelangem Gerangel einigten sich die im Magistrat vertretenen Parteien vor Wochenfrist auf einen „Sparhaushalt“ für 1997, nachdem Roth die Streitereien satt hatte und mit einem eigenen Sparprogramm presseöffentlich vorgeprescht war: Rund 8.000 Stellen in der Stadtverwaltung sollen abgebaut und Schwimmbäder und Bürgerhäuser geschlossen werden. SozialhilfeempfängerInnen müssen demnächst ihren Hausrat und ihre Möbel gebraucht kaufen, den Vereinen und der Kulturgesellschaft werden die Zuschüsse zusammengestrichen.

Und auf der Einnahmenseite? Da setzt der Magistrat mit Roth an der Spitze auf die neue Spielbank am Flughafen. Dort soll schon im nächsten Jahr die Elfenbeinkugel rollen und der Stadt rund eine Millionen Mark an zusätzlichen Einnahmen sichern. Eine Million – bei einem jährlichen Haushaltsdefizit von rund 300 Millionen Mark.

Der Haushalt sei nicht mehr zu konsolidieren, erklärte danach der Stadtverordnete der Bündnisgrünen, Christian Gasche. „Auch wenn wir für 50 Millionen Mark Bäder, Jugend- und Kultureinrichtungen schließen und für weitere 50 Millionen Mark bei den Sozialleistungen kürzen, wird der Haushalt ein Defizit ausweisen.“ Einen Ausweg aus der Krise gebe es nicht mehr. Es sei denn, Politik und Wirtschaft würden sich endlich darauf besinnen, ihrer gemeinsamen Verantwortung für einen gerechten Ausgleich zwischen der armen und der reichen Bevölkerung gerecht zu werden, sagte Gasche.

Doch OB Roth ging gestärkt aus dem Kampf um den Haushalt 1997 hervor. Was sie dann auch sogleich ausnutzte. Die Bürgermeisterin kündigte die Degradierung der Kulturdezernentin Linda Reisch (SPD) an, denn die auch in den Reihen der SPD umstrittene Magistrale habe ihre „eigenverantwortlichen Aufgaben nicht erfüllt“: zu wenig Sparvorschläge gemacht, die renitenten, hochdotierten Intendanten von Theater und Oper nicht genügend an die Kandarre genommen und – das wohl entscheidende Kriterium – Roth in die Parade gefahren, als die OB die Schließung des renommierten Theaters am Turm ankündigte.

Am vergangenen Donnerstag abend wich Roth dann doch von der angekündigten harten Linie gegen Linda Reisch ab. Die Sozialdemokratin soll jetzt ein Konzept vorlegen, mit dem der Spielbetrieb der städtischen Bühnen für die Spielzeit 1996/97 sichergestellt werden könne – und ein „tragfähiges Konzept“ für die Folgejahre. Immerhin hatte Kämmerer Tom Koenigs schon vor Jahresfrist ketzerisch angemerkt, daß das Defizit, das etwa die Oper „erwirtschafte“, so hoch sei, daß es billiger wäre, die FreundInnen der Oper in Frankfurt zur Scala nach Mailand zu fliegen als hier weiter die Eintrittskarten zu subventionieren.

Kann Roth also ihre Fiktion vom sachpolitisch arbeitenden Allparteienmagistrat nach dem Erfolg mit dem Haushalt 1997 doch noch retten? Fraglich ist, mit den Stimmen welcher Parteien der Haushalt verabschiedet werden wird. Wieder mit den Stimmen von CDU und SPD, wie schon der Haushalt 1996? Werden die Bündnisgrünen also erneut nur für die garnierende „Petersilie“ verantwortlich sein? Oder soll man nicht gleich auf die Kommunalwahlen 1997, auf eine rot-grüne Mehrheit warten? Petra Roth ist bis zum Jahre 2002 gewählt. Und deshalb gilt für die Politik wie für den Fußball in Frankfurt das Wort von Trainer „Steppi“ Stepanović: “ Die Lage ist beschissen!“