Bestialische Morde in Srebrenica

■ Zeugen des Massakers vor dem Den Haager Tribunal: Köpfe wurden abgehackt und Kehlen durchgeschnitten

Den Haag/Sarajevo (dpa/taz) – Der bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladić und seine Streitkräfte sind vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag beschuldigt worden, in Srebrenica bestialisch gemordet zu haben. UNO-Ermittler Jean- René Ruez schilderte gestern den Richtern, wie muslimische Männer nach der Eroberung der UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 von Frauen und Kindern getrennt und dann umgebracht wurden. Die Männer mußten sich nebeneinander aufstellen und wurden dann erstochen oder erschossen. Gefangene wurden gezwungen, die Leichen zu stapeln, und danach selbst getötet. Insgesamt starben auf diese Art nach Erkenntnissen des UNO- Tribunals mindestens 6.000 Menschen. Das Massaker gilt als das schwerste Verbrechen im Bosnien-Krieg.

Vielen Opfern wurden nach Angaben von Ruez die Kehlen durchgeschnitten oder die Köpfe abgehackt, andere mit Granaten getötet. Nach den Massenhinrichtungen sollen die Serben gefragt haben: „Lebt noch jemand?“ Wer sich meldete, bekam den „Gnadenschuß“. Einer der Soldaten fragte nach Augenzeugenberichten eine Frau, warum ihr Kind schreie. Als sie erwiderte, das Kind sei hungrig, sagte er, es werde künftig nie mehr Hunger haben, und tötete es. Ein anderer Soldat schlitzte den Bauch eines Jungen auf, holte ein Organ heraus und zwang einen Mann, es zu essen. Angesichts solcher Szenen begingen viele Menschen Selbstmord oder wurden nach Zeugenaussagen „verrückt“.

Ruez führte mehrere Filme vor, die die Selektion der Männer und das Abführen verletzter Flüchtlinge dokumentieren. General Mladić sagte in dem Film: „Niemandem wird etwas geschehen.“ Mladić und Serbenführer Radovan Karadžić sind unter anderem wegen des Srebrenica-Massakers als Kriegsverbrecher angeklagt. Ihnen werden Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt.

Eine Gruppe von 126 hohen Offizieren der jugoslawischen Armee forderte ungeachtet dessen gestern den serbischen Präsidenten Milošević auf, Mladić nicht an das Tribunal auszuliefern. Durch eine Auslieferung würde Serbien eine erneute Niederlage erleiden, argumentieren sie. Gleichzeitig verboten die bosnischen Serben einem Expertenteam aus Finnland die erste große Exhumierung von Leichen aus einem Massengrab bei Srebrenica.

Auch gegen die niederländischen UNO-Blauhelme, die in Srebrenica stationiert waren, sind erneut schwere Vorwürfe erhoben worden. Nach einem Bericht der Amsterdamer Zeitung De Volkskrant ließen die Blauhelme nach der Eroberung bewußt zwei muslimische UNO-Dolmetscher zurück. Einer davon sei „so gut wie sicher“ von den Serben ermordet worden.

Der bosnische Präsident Alija Izetbegović kritisierte gestern das Vorgehen der internationalen Gemeinschaft gegen Karadžić als zögerlich. „Die Geduld der internationalen Gemeinschaft ist nicht gut für den Friedensprozeß“, sagte Izetbegović nach einem Treffen mit US-Verteidigungsminister William Perry in Sarajevo.

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