Pädagogische Höchstleistungen

Nach dem Skinhead-Überfall: Sozialarbeiter und Polizei rechtfertigen ihre Arbeit an der rechten Basis  ■ Von Volker Stahl

Nach dem Skinhead-Überfall auf einen polnischen Gastschüler am 26. Juni ist in Tostedt Schadensbegrenzung angesagt. Sozialarbeiter und Polizei baten gestern zu einem Pressegespräch in die Winsener „Reso-Fabrik“, um über Maßnahmen gegen die braunen Sprossen in der Nordheide zu informieren.

Nach dem Anschlag auf das Jugendzentrum JUZ, bei dem der 17jährige Adam K. verletzt worden war, wurde Reso-Streetworker Bernd Rutkowski dafür kritisiert, daß er zuviel Verständnis für die von ihm betreuten rechtsradikalen Sorgenkinder aufgebracht haben soll (taz berichtete). Auch gestern meinte er: „Die Linken sind keine Lämmer, ich bin schon von ihnen bedroht worden. Das Gewaltpotential bei ihnen ist sogar größer.“

Seit Jahren leidet das ländliche Ruhebedürfnis in der Tostedter 12.000-Seelen-Gemeinde und der Nachbarorte durch Streitigkeiten zwischen rechts- und linksgerichteten Jugendlichen. Die Antifa-Aktivisten reagierten, so wußte Rutkowski zu berichten, auf das rechte Treiben von NPD-Zöglingen und Gefolge mit Aufklärungsarbeit, gelegentlich auch mit Pöbeleien, Provokationen und Hieben.

Rutkowskis Sprüche sind nicht nur für die Antifa starker Tobak. Auch die Tostedter Grünen beobachten dessen Arbeit an der rechten Basis mit Skepsis: „Die Reso-Fabrik grenzt sich zu wenig von den Jugendlichen und Erwachsenen ab, die in Fachkreisen als Kader-Neonazis bezeichnet werden.“ Der gescholtene Pädagoge dagegen verteidigte sein Konzept der ,akzeptierenden Sozialarbeit': „Um etwas erreichen zu können, müssen wir auf die Jugendlichen zugehen. Das ist nur durch ständigen Kontakt und monatelange Zusammenkünfte möglich. Wir wollen die Skins nicht hoffähig machen, akzeptieren sie aber menschlich.“

Nach Rutkowskis Schätzung gehören fünf bis sechs Anführer und mehrere Dutzend Mitläufer zur Tostedter Naziszene. „Nach den jüngsten Ereignissen ist unser Projekt notwendiger denn je.“ Die zuständige Harburger Polizeiinspektion unterstützt Rutkowskis Ansatz. „Es kommt darauf an, Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft zu zeigen. Jedes ideologiebehaftete Einwirken ist kontraproduktiv“, sagte Kriminaldirektor und Diplompädagoge Hans-Jürgen Wieben.

Am 26. Juni – der Nacht nach dem Sieg der deutschen Kicker über ihre englischen Gegner – hatte allerdings keine pädagogische Höchstleistung den Bierflaschenwurf gegen den Kopf des Adam K. zu verhindern vermocht. Wer den Kiefer des Polen zertrümmert hat, ist noch unklar. Wieben: „Einige Skins sind schon vernommen worden. Es wäre schön, wenn sich der Täter stellen würde.“

Derweil haben sich die Randalierer für den „Vorfall und die daraus resultierende Verletzung“ öffentlich entschuldigt. Das in einem wenig mitfühlenden Tonfall geschriebene Flugblatt wurde selbstbewußt unterschrieben mit: „Skinheads Tostedt“.