Grünes Abenteuer-Team

■ Nach dem Medien-GAU in Sachen Brent Spar: Bessere "Kommunikation" soll in Bedrängnis geratenen Unternehmen helfen. Eine Diskussion in Hamburg

Nein, mit Klaus Peter Johansson, dem Leiter der Unternehmenskommunikation bei Shell Deutschland, möchte wohl niemand den Job tauschen. Seine Abteilung hatte gerade für 20 Millionen Mark eine großangelegte Öko-Image-Kampagne gestartet („Das wollen wir ändern“), da ereignete sich der Medien-GAU. Greenpeace protestierte in spektakulärer Form gegen die von Shell geplante Versenkung der Plattform Brent Spar, und das schier Unmögliche geschah: Die Öffentlichkeit jaulte auf wie nie, und die Brent Spar wurde in einen norwegischen Fjord verfrachtet. Dort harrt sie seit einem Jahr ihrer Verschrottung.

Da mag es für Johansson eine späte Genugtuung sein, daß mancher Chefredakteur im nachhinein eingeräumt hat, die Medien hätten sich bei Brent Spar von Greenpeace instrumentalisieren lassen. In einem Interview habe Uli Deppendorf, der Chef von ARD-Aktuell gesagt, es sei ein Fehler gewesen, daß die Reporter auf dem Greenpeace-Schiff mitgefahren seien.

Solche späten Einsichten haben Shell nichts genützt. Greenpeace hat im entscheidenden Moment die bessere PR gemacht – den hochbezahlten Kommunikatoren des Ölkonzerns hingegen ist es nicht gelungen, der „emotionalisierten“ Öffentlichkeit ihre Argumente für die See-Entsorgung zu vermitteln. Shell gelobte reumütig Besserung: „Wir werden uns ändern.“

Die Greenpeace-Aktion gegen die Versenkung der Brent Spar gilt seither als Paradebeispiel einer gelungenen PR-Kampagne. Wie und warum solche Kampagnen wirken und ob Public Relations gar die Welt verändern können – dieser Frage gingen Öffentlichkeitsarbeiter und Wissenschaftler auf Einladung des Instituts für Journalistik am Mittwoch in Hamburg nach.

Greenpeace hatte den entscheidenden Imagevorsprung. Und die besseren Bilder: Action und Abenteuer live – wie beim Marlboro- Abenteuer-Team. Daß die Umweltschutzorganisation sich bei der Angabe der giftigen Rückstände auf der Brent Spar verrechnet hatte, beschädigte ihre Glaubwürdigkeit kaum. „Wir mußten nicht einmal eine Anzeige schalten, um uns bei Shell zu entschuldigen“, berichtet Greenpeace-Sprecherin Svenja Koch, „die Zeitungen haben das so abgedruckt.“ Im redaktionellen Teil, versteht sich.

Doch die Greenpeace-Aktion war nicht so neuartig, wie gelegentlich behauptet wurde. Tatsächlich arbeite Greenpeace mit ganz ähnlichen Mitteln wie die PR-Profis großer Unternehmen, so der Soziologe Michael Greven. Wie diese lädt die Umweltorganisation ausgewählte Journalisten zu Pressereisen ein und bietet ihnen Abenteuer und Exotik statt Luxussuiten und Komfort. „Wenn wir Leute mit auf die Schiffe nehnmen, wollen wir die Emotionalisierung“, sagt Svenja Koch. „Die Journalisten sollen die gleichen Empfindungen haben wie unsere Leute. Die gemeinsam durchlebte Angst vor den Polizeibooten schweißt zusammen.“ Selbstbewußt fügt die Greenpeace-Sprecherin hinzu: „Wir nutzen die Medien, und das machen wir gut.“

Sehr viel schwerer haben es Bürgerinitiativen, die abstrakte Ideen in der Öffentlichkeit bekannt machen wollen: „Wir mußten den Leuten erst einmal erklären, warum mehr Demokratie gut für sie ist“, sagt Markus Seipel von „Mehr Demokratie in Bayern“. Jahrelang hat die Initiative beharrlich für das nötige Volksbegehren geworben, bis es gelang, Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen durchzusetzen. „Wir haben damals alle CSU-Abgeordnete flächendeckend mit Pressematerial versorgt“, berichtet Seipel. Denn da die CSUler sich weigerten, überhaupt mit der Initiative zu reden, beschloß diese: „Wir lassen sie nicht allein.“ Und weil sie sich mit der mächtigen CSU anlegten, war dem Verein schließlich das Interesse der Presse gewiß.

Doch bislang haben nur wenige PR-Strategen begriffen, daß Dialog mehr ist als das kleine Postkärtchen, das auf der Anzeige klebt. „Wir leben in einer Talkshow-Kultur“, sagt Henning von Vieregge, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Werbeagenturen, freimütig. Wichtig sei, „daß darüber geredet wird“. Dumm nur, wenn die redseligen Kommunikatoren sich wie im Fall Shell auf einmal an ihren eigenen Worten messen lassen müssen.

Darüber reden will auch der Getränkekonzern Brau und Brunnen in Dortmund, um die BürgerInnen für ein Immobilienprodukt auf einem seiner ehemaligen Brauereigelände zu gewinnen. Neben Wohnungen sollen im Zentrum der Stadt auch 40.000 Quadratmeter Ladenfläche entstehen. Der Aufschrei des ansässigen Einzelhandels schien den Investoren unvermeidlich. Viel früher als bei solchen Bauvorhaben üblich habe man das Gespräch mit den AnwohnerInnen gesucht, erzählt Öffentlichkeitsarbeiter Bernd Weber. Der Konzern gibt sogar eine Zeitschrift heraus, in der über den Stand der Planungen berichtet wird. „Doch daß wir den Dialog suchen, heißt nicht, daß wir alle Ansprüche erfüllen können oder wollen“, meint Weber. In den Worten von Shell-Sprecher Johansson heißt das: „Ein Unternehmen ist keine Wohltätigkeitsorganisation.“ Bärbel Sonntag