Scharon wird Superminister

Israels neue Regierung einmal neu durchgemischt  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Entscheidung fiel mitten in der Nacht: In einer eilig einberufenen Regierungssitzung bestellte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu den Rechtsaußen Ariel Scharon in der Nacht zu Donnerstag zum „Minister für nationale Infrastruktur“. Zuvor hatte Außenminister David Levy mit dem Rücktritt gedroht, wenn Scharon nicht bis zum 9. Juli Minister sei.

Levy hatte bereits vor zwei Wochen, als am 17. Juni die neue Regierung vereidigt wurde, ein ähnliches Ultimatum gestellt. Damals hatte er sich aber bereits innerhalb einiger Stunden von Netanjahu überreden lassen, das Außenamt dennoch zu übernehmen. Netanjahu mußte allerdings versprechen, Scharon baldmöglichst zum „Minister für nationale Infrastruktur“ zu machen.

Das war leichter gesagt als getan, da Scharon die Übergabe wichtiger Arbeitsbereiche aus anderen Ministerien an sein neu zu schaffendes Amt forderte. Bis zu der nächtlichen Sitzung waren die davon betroffenen Minister nicht bereit, diese Opfer zu bringen. Levys neues Ultimatum veranlaßte Netanjahu, die Regierungsmitglieder zu zwingen, Scharons Forderungen zu erfüllen.

Levys Solidarität mit Scharon geht auf frühere gemeinsame Machtkämpfe zurück, beispielsweise gegen den ehemaligen Regierungschef Jitzhak Schamir. Ihre eigentlichen Wurzeln liegen jedoch in Scharons erfogreichen Bemühungen um eine Vereinigung des Likud-Blocks kurz vor den letzten Wahlen. Scharon war es gelungen, auch die von Levy geführte abtrünnige „Gesher“-Fraktion zu integrieren. Ohne Scharons Bemühungen wäre der Sieg Netanjahus kaum möglich gewesen.

Sowohl Netanjahu als auch Levy müssen sich also Scharon gegegenübner dankbar erweisen. Tun sie das nicht, riskieren sie Scharons nicht ungefährliche Racheakte. Scharon innerhalb der Regierung scheint ihnen als geringere Gefahr als der „wilde Rivale“ außerhalb des eigenen Lagers.

Scharon, der die Ereignisse bis gestern aus der Entfernung seiner Farm in der Negev-Wüste betrachtete, macht es allein schon Spaß, wieder einmal im Zentrum eines politischen Dramas zu stehen – zumal als wahrscheinlicher Sieger. Sein Ministerium wird er vermutlich in der kommenden Woche übernehmen. Dann wird er unter anderem für folgende Gebiete verantwortlich sein: einen Teil der Militärindustrien, öffentliche Arbeiten inklusive Straßenbau im Westjordanland, Entwicklungsprojekte in ländlichen Gebieten (z. B. Siedlungen im Westjordanland und im Golan), die gesamte Agenda des Energieministeriums, langfristige Planung von Wasserprojekten und Bodenverwaltung. Zudem soll Scharon Mitglied des inneren Sicherheitskabinetts werden.

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