„Ohne das Amt läuft hier gar nichts“

■ Sozialwohnungen: Inkompetenz und Willkür in den Bezirken verhindern Mietverträge

Grenzenlos ist die bezirkliche Willkür bei der Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen. Nicht allein unverheiratete, kinderlose oder homosexuelle Paare scheitern daran, in Hamburg eine günstige Sozialwohnung zu ergattern (taz berichtete gestern). Weil die Bezirke die Gesetze häufig ignorieren, steht Wohnraum über Monate leer und werden Mietverträge systematisch verhindert.

So auch im Fall von Martin B.: Eine knapp 47 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung auf St. Pauli hatte er in Aussicht. Die Wohnung war über den 3. Förderungsweg finanziert; das mickrige Einkommen von Martin B. jedoch, befand die spitzfindige Sachbearbeiterin im Wohnungsamt-Mitte, berechtige ihn lediglich zum Einzug in eine Sozialwohnung des 1. Förderungswegs mit weitaus günstigeren Mieten (siehe den Leitfaden durch das Richtlinien-Dickicht auf Seite 26). Und verweigerte deshalb, den beantragten Schein für den 3. Förderungsweg auszustellen. Der Vermieter – verunsichert, ob ein § 5-Schein auch im 3. Förderungsweg gilt – vergab die Wohnung in begehrter Lage anderweitig.

„Das kann doch nicht wahr sein“, schüttelt Baubehörden-Sprecher Jürgen Asmussen ungläubig den Kopf. Nach dem Wohnungsbaugesetz können MieterInnen mit unterstem Verdienst – das Einverständnis des Vermieters vorausgesetzt – sämtliche Sozialwohnungstypen beziehen. Denn deren Einkommensgrenzen können sie ja gar nicht überschreiten. Es sei „allein Sache des Vermieters, darüber zu entscheiden, ob er den § 5-Schein-Inhaber oder den mit dem 3.Förderungsschein bevorzugt.“

Hätte Martin B. auf Nummer sicher gehen wollen und den „richtigen“ Schein gefordert – der Bezirk hätte ihm den Wunsch erfüllen müssen. Doch in Mitte weigert man sich standhaft und mischt sich zudem in die freie Auswahl der Vermieter ein: „Ohne Genehmigung durch das Wohnungsamt läuft hier gar nichts“, bedauerte der Vermieter gegenüber Martin B.

In Altona und Bergedorf würde zwar auch immer nur „der Schein ausgestellt, der dem Einkommen entspricht“ und „niemals von uns eine anders geförderte Wohnung angeboten werden“. Doch ist man sich darüber bewußt, „daß der Vermieter bei der Vergabe unsere Zustimmung nicht braucht“. Ganz undogmatisch sind die Sachbearbeiter in Nord und Harburg: Notfalls stellen sie auch zwei Scheine gleichzeitig aus – wenn's hilft, die Wohnungsnot zu lindern. Auch Eimsbüttel und Wandsbek verstehen sich mehr als Dienstleister denn als Kontrolleure und richten sich – wenn es irgend geht – nach den Mieter-Bedürfnissen.

Heike Haarhoff