„Das gibt Ärger mit der Reederei!“

■ Futsch: Auf der Probefahrt der Costa Victoria verschwanden schwer ersetzbare Designer-Fernseher und Badezimmer-Armaturen / Polizei ratlos / Leere Kabinen zur Schiffstaufe?

Eine Werftprobefahrt, zumal, wenn es sich um ein Kreuzfahrtschiff handelt, ist lustig. Arbeiter, Zulieferer und zukünftige Besatzung dürfen schon mal ausprobieren, wie das neue Schiffchen schaukelt und wie es sich in den Nobelkabinen sitzt oder liegt. Hinterher nehmen sich viele ein kleines Souvenir mit: ein Handtuch, Seife, einen Lampenschirm.

Das ist für die Werft ärgerlich, aber normal. Was aber am Donnerstag abend an Bord der Costa Victoria geschah, könnte zu einer neuen Krise im Verhältnis zwischen den Bremer Werften und dem italienischen Auftraggeber führen: Während der letzten Probefahrt kamen dermaßen viele und schwer ersetzbare Einrichtungsgegenstände weg, daß die ausrüstende Lloyd-Werft nun fürchtet, das Schiff unkomplett übergeben zu müssen. Womöglich werden einige Kabinen in einem Zustand sein, der sie für die Reederei unverkäuflich macht. Schadensersatzforderungen kämen auf den Bürgen aller Ex-Vulkan-Geschäfte zu. Der Bürge heißt: Bremen.

1.300 Gäste, darunter 350 zukünftige Besatzungsmitglieder und knapp 1.000 Werftarbeiter, Mitarbeiter der Zulieferer und Subunternehmer, waren zur Probefahrt an Bord. Während der Ausfahrt wurde der Schiffsführung Schwund gemeldet: Es fehlten plötzlich Föne, Duscharmaturen, Fernseher, Kabinenlampen etc., allesamt Dinge von ausgesuchtem Design, deren Wiederbeschaffung Wochen dauern kann. Projektleiter Werner Lüken (Lloyd-Werft) bekam es mit der Angst zu tun und alarmierte die Bremerhavener Polizei. Als die Costa wieder festmachte, mußten sich sämtliche Passagiere von insgesamt 30 Polizisten untersuchen lassen. Die Massendurchsuchung dauerte bis in die Abendstunden. Gefunden wurden aber nur Kleinigkeiten wie Handtücher, Kabel, Ventile und Teile der Sprinkleranlage. Der wesentlichere Teil der Beute blieb bis zum gestrigen Redaktionsschluß unauffindbar.

Zu viele Verstecke gibt es in dem 251 Meter langen, 14 Etagen hohen Schiff. Einer Vermutung, die Sachen wären in den Werkzeugcontainern der ausrüstenden Fremdfirmen versteckt, konnte die Polizei mangels konkreten Tatverdachts nicht nachgehen. Eine ganz eigene Version kursiert unter Werftarbeitern: Die zukünftige Besatzung des Schiffes könnte das Diebesgut versteckt haben, um es erst in Italien wieder ans Licht zu holen. In Bremerhaven an Land kommt jedenfalls nichts mehr: Die Lloyd-Werft hat Wachen aufgestellt. Da kommt keine Schraube mehr durch.

Gestern lief Projektleiter Lüken den ganzen Tag über aufgeregt an Bord der Costa Victoria herum. Er hält es für möglich, daß Gegenstände irgendwo hinter einer Wandverkleidung versteckt wurden – aussichtslos, sie wiederzufinden. Sein Problem: Die Designer-Glotzen und Edel-Duscharmaturen sind finanziell weniger interessant; doch ihre Wiederbeschaffung ist wegen der langen Lieferzeiten ein Problem. Er fürchtet: „Das gibt Ärger mit der Reederei. Das verdirbt die Stimmung.“ Die war gerade wieder notdürftig hergestellt, nachdem sie wegen der Bauverzögerungen im Zusammenhang mit der Vulkan-Pleite gründlich im Keller gelandet war. „Es könnte,“ so Lüken gegenüber der taz, „zu härteren Bedingungen für den Nachfolgeauftrag kommen.“

Übrigens sind ansonsten die Ergebnisse der Probefahrt „hervorragend“. Die Taufe ist am 13. Juli. Das ist kein Freitag. BuS